Für langfristig orientierte Anleger lohnt es sich, einen Kurssturz an der Börse für neue Investments zu nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt Thomas Romig, Multi-Asset-Chef beim Vermögensverwalter Assenagon, nach einer Analyse des US-Aktienmarkts. "Börsenkrisen stellen nicht nur eine Bedrohung für Vermögen dar. Sie können besonnenen Anlegern auch Chancen eröffnen", betont der Kapitalmarktexperte.

Romig analysierte alle zwölf Bärenmärkte an der Wall Street seit 1945, in denen der Leitindex S&P 500 jeweils einen Kursrückgang von mehr als 20 Prozent verzeichnete. Prominente Beispiele sind die Ölkrise 1973/74, das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, die US-Immobilienkrise ab 2007 und der Corona-Crash 2020 (siehe Grafik unten).

Historische Entwicklung und Bärenmärkte des S&P 500 seit 1945© Assenagon; Quelle: Bloomberg, Assenagon-Berechnungen, Stand: 30. April 2025

So unterschiedlich die Ursachen schwerer Börsenkrisen auch waren, Romig zufolge lässt sich ein wiederkehrendes Muster erkennen: "Die Aktienmärkte haben sich nach jeder tiefgreifenden Korrektur vollständig erholt – und anschließend sogar neue Höchststände erreicht." Und mehr noch: "Anleger, die in Phasen starker Marktverwerfungen in den S&P 500 investierten – konkret in einem Bärenmarkt nach einem Rückgang von mehr als 20 Prozent – konnten in der Vergangenheit überdurchschnittliche Renditen erzielen."

Wer sich traute, nach einem 20-Prozent-Minus einzusteigen, wurde reich belohnt. Historisch betrachtet lag die durchschnittliche Rendite in einem solchen Fall nach einem Jahr bei rund 14 Prozent, nach fünf Jahren bei 53 Prozent und nach zehn Jahren sogar bei 133 Prozent – jeweils ohne Berücksichtigung von Dividenden (siehe Tabelle unten). "Zum Vergleich: Das durchschnittliche jährliche Wachstum des S&P 500 seit 1945 beträgt acht Prozent", so Romig.

Stressphasen in den USA seit 1945
S&P 500 (Kursindex ohne Dividenden)© Assenagon; Quelle: Bloomberg, Assenagon-Berechnungen

Doch warum erholen sich die Aktienkurse meist recht schnell wieder, auch wenn es im Augenblick des Crashs gute Argumente für sinkende Kurse gibt? "Ein zentraler Treiber liegt in den wirtschaftlichen Fundamentaldaten", erläutert Romig. "Rezessionen und Krisen setzen regelmäßig Anpassungsprozesse in Gang, die über die Zeit stabilisierend wirken." Auch staatliche Konjunkturmaßnahmen und eine expansive Geldpolitik spielten dabei eine zentrale Rolle, weil sie den Markt stützten.

"Zudem führen Marktkorrekturen häufig zu einer Neubewertung von Unternehmen", so der Kapitalmarktexperte. "Übertreibungen werden abgebaut und fundamentale Risiken wieder korrekt gepreist, während ineffiziente Geschäftsmodelle vom Markt verschwinden." Innovative Unternehmen gingen hingegen gestärkt aus Krisen hervor.

"Schnelle Stimmungswende"
Neben fundamentalen Faktoren spiele auch die Marktpsychologie eine bedeutende Rolle, so Romig. "Nach Phasen extremer Unsicherheit folgt oft eine schnelle Stimmungswende. Sobald die Angst weicht und erste Kursanstiege sichtbar werden, greifen viele Investoren wieder zu." (fp)