Tiffany Wilding, Ökonomin beim Asset Manager Pimco, geht für die nahe Zukunft von einer Stagflation in den USA und einem globalen Wirtschaftsabschwung aus. Das Risiko einer Rezession in den Vereinigten Staaten beziffert sie auf 50 Prozent. Das gilt trotz der Tatsache, dass US-Präsident Donald Trump die Sonderzölle auf Importe aus den meisten Ländern zunächst ausgesetzt hat. "Die 90-tägige Pause verschafft etwas Zeit für Deeskalation und Verhandlungen, doch die grundsätzliche Richtung ist klar: Höhere Zölle auf absehbare Zeit", so Wilding. Die Zölle wirkten "wie eine groß angelegte, ineffizient erhobene Verbrauchssteuer".

Die Pimco-Expertin wähnt die US-Notenbank Fed in einer Zwickmühle, in der sie aufgrund des Inflationsdrucks zunächst nur zögerlich auf die Wirtschaftsschwäche reagieren dürfte. Dennoch geht sie von Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte aus. Den Ausschlag könnte laut Wilding eine steigende Arbeitslosigkeit geben. Für die meisten Zentralbanken außerhalb der USA erkennt Wilding in der US-Zollpolitik durch deren deflationäre Wirkung auf andere Wirtschaftsräume einen erhöhten Spielraum für Zinssenkungen.

Die Inflation dürfte "spürbar über das Zwei-Prozent-Ziel" steigen
"Höhere Zölle auf US-Importe treiben die Kosten für heimische Verbraucher und Unternehmen in die Höhe und verringern sowohl das reale verfügbare Einkommen als auch die Gewinnmargen", erläutert die Ökonomin. "Gegenzölle werden zudem die US-Exporte belasten. Da sich die Zölle gleichermaßen auf Vorleistungs- und Konsumgüter beziehen, verteuern sie Investitionen ebenso wie den Konsum." Wilding und ihre Kollegen schätzen, dass jeder Anstieg des durchschnittlich effektiven Zollsatzes um einen Prozentpunkt das Wirtschaftswachstum um etwa 0,1 Prozentpunkte verringert und die Inflation in ähnlichem Maße erhöht.

Anders als in den Jahren 2018 und 2019, als die US-Notenbank angesichts handelspolitisch bedingter Unsicherheiten vorsorglich den Leitzins senkte, dürfte sie diesmal zögerlicher auf die wirtschaftliche Schwäche reagieren, erwartet Wilding. "Umfang und Reichweite der bereits eingeführten sowie geplanten Zölle sprechen für einen deutlich stärkeren Preisdruck, der die US-Inflation unserer Einschätzung nach spürbar über das Zwei-Prozent-Ziel der Fed treiben könnte."

Sieht sich die Fed zu "unkonventionellen Maßnahmen" gezwungen?
Dieses Inflationsszenario dürfte den Spielraum der Fed für Zinssenkungen einschränken – es sei denn, die Arbeitslosigkeit steige deutlich stärker als bislang. Genau das erwartet Wilding für die zweite Jahreshälfte. Dann sei im Zuge steigender Arbeitslosenzahlen auch mit Zinssenkungen der US-Notenbank zu rechnen.

"Zuvor könnte die Fed jedoch unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, um den Markt für US-Staatsanleihen zu stabilisieren – ähnlich wie die Bank of England, die im Jahr 2022 mit ihrem Anleihekaufprogramm auf den sprunghaften Anstieg der Gilt-Renditen reagiert hat", sagt Wilding mit Blick auf den jüngsten Ausverkauf bei US-Treasuries. "Für den Rest der Welt dürften die Zoll-Maßnahmen hingegen deflationär wirken – was den Zentralbanken außerhalb der USA mehr Spielraum für Zinssenkungen lässt." (fp)