Auf die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz warten enorme Aufgaben, doch auch die Erwartungen sind hoch geschraubt. Das gilt insbesondere wirtschaftlich, da Deutschland seit der Corona-Krise nahezu durchgehend das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa war. Schafft die neue Bundesregierung eine Trendwende? 

"Mit den beiden Investitionspaketen für Verteidigung und Infrastruktur besteht nun endlich die Chance, strukturelle Wachstumshindernisse anzugehen und das große Potenzial unserer innovativen Unternehmen freizusetzen", meint Christoph Ohme, leitender Portfoliomanager für deutsche Aktien bei Oddo BHF Asset Management. Von der neuen Bundesregierung erwartet er Reformen in der Verwaltung und den Abbau unnötiger bürokratischer Hürden. "Nur so können die großen Investitionssummen auch zielgerichtet eingesetzt werden."

Renditechancen für langfristig orientierte Investoren
Das Infrastrukturpaket bietet mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro für Investoren die einmalige Chance, vom Neustart der deutschen Wirtschaft zu profitieren. Diese Investitionen werden laut Ohme das BIP-Wachstum ab 2026 je nach Umsetzung um 0,5 bis 1,4 Prozentpunkte steigern können. "Auch die Unternehmensgewinne können dann wachsen", betont Ohme. Für langfristig orientierte Investoren böten sich hier interessante Renditechancen.

Und auch ausländische Investoren hätten Deutschland und Europa wiederentdeckt – seit Jahresanfang gab es starke Mittelzuflüsse. Ohme sagt: "Für die Zukunft rechnen wir mit anhaltenden Kapitalzuflüssen nach Europa und Deutschland. Die zunehmende globale Unsicherheit, die steigende Inflation und die Abkühlung der US-Wirtschaft könnten zu einer weiteren Kapitalrotation aus den USA in die europäischen Märkte führen."

Bewertungen nach wie vor günstiger als bei US-Aktien
Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Strafzölle haben weltweit zu einem starken Abverkauf an allen wichtigen Aktienmärkten geführt, auch der deutsche Aktienmarkt war davon betroffen. "Aufgrund der wechselhaften Nachrichtenlage rechnen wir in den nächsten Tagen und Wochen mit einer erhöhten Volatilität", betont der Experte. Dennoch sei der deutsche Aktienmarkt günstiger bewertet als der US-Markt. 

Auf der anderen Seite werde sich Deutschland aber als stark exportorientierte Volkswirtschaft den negativen Auswirkungen der US-Zollpolitik auf den Welthandel nicht entziehen können. "Die Kosten der Zölle könnten das Wachstum im Jahr 2026 um 0,9 Prozentpunkte reduzieren und die positiven Effekte der Investitionspakete teilweise abschwächen", rechnet der Portfoliomanager vor.

Bau- und IT-Sektor profitieren von Infrastrukturpaket
Besonders die exportstarken Unternehmen, etwa die Automobilbranche, werden durch die Zollerhöhungen herausgefordert. Ohme setzt auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht, denn diese können erhöhte Zölle zumindest teilweise in ihren Produktpreisen weitergeben. Rüstungsaktien profitierten in besonderem Maße von steigenden Verteidigungsausgaben, so weise der Sektor eine deutliche Prämie zum Gesamtmarkt auf. "Selektiv ergeben sich allerdings bei dieser hohen Volatilität wieder Chancen", meint Ohme. 

Dank des Infrastrukturpakets könnte es in der Bauwirtschaft in den nächsten Jahren starke Wachstumsimpulse geben. Dazu gehören neben Baukonzernen, insbesondere den im Tiefbau tätigen, auch die Hersteller von Baustoffen und bauchemischen Produkten. Auch Industriekonzerne, die etwa für den Stromnetzausbau notwendige Anlagen wie Transformatoren oder IT für die Infrastruktur herstellen, gehören laut Ohme zu den Profiteuren. Er ergänzt: "Besonders interessant könnten Investments in Nebenwerte aus dem M-Dax sein. Denn im Gegensatz zu den eher exportorientierten Dax-Werten sind diese Unternehmen stärker von Inlandsaufträgen abhängig." (jh)