Die meisten börsennotierten Unternehmen haben fürs erste Quartal 2023 positive Zahlen vorgelegt. "Offensichtlich halfen die Verbraucher den Unternehmen, die Realisierung der düsteren Gewinnprognosen zu vermeiden, mit denen die Aktienbären wegen zunehmender Sorgen über eine Konjunkturabkühlung gerechnet hatten", sagt Oliver Scharping, Portfoliomanager für alternative Anlagestrategien beim Asset Manager Bantleon. Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sei größtenteils ungebrochen, selbst wenn Unternehmen Preise erhöhten. Der Sektor zyklische Konsumgüter, der im Jahr 2022 unter Inflationsdruck litt und Gewinnspannen unter Druck sah, sei noch im Aufwind. "Die Gewinnrezession scheint hier den Analystenschätzungen und Aktienkursentwicklungen zufolge noch weit entfernt zu sein", so Scharping.

Nach seinen Worten scheint es zwar für eine mögliche Gewinnrezession mindestens ein Quartal zu früh zu sein. Offenbar hätten die Leitzinsanhebungen der Notenbanken noch nicht vollständig auf die Realwirtschaft durchgeschlagen. "Sollten die makroökonomischen Frühindikatoren von Bantleon aber auch diesmal recht behalten, dürfte es bereits im nächsten Quartal auch an den Aktienmärkten mehr Anzeichen dafür geben, dass der private Konsum unter Druck kommt. Spätestens dann werden auch die breiten Aktienindizes deutlich nachgeben", warnt Scharping.

Erste dunkle Wolken am Aktienhimmel
Die positiven Nachrichten aus der aktuellen Berichtssaison seien ein Blick in den Rückspiegel. Zudem zeichneten einige Unternehmensergebnisse ein differenziertes Bild. Amazon etwa meldete zwar einen Quartalsgewinn, der die Analystenschätzungen übertraf, teilte aber zugleich mit, dass Kunden nach Möglichkeiten suchten, Geld zu sparen. Umsatz und Gewinn von McDonald's übertrafen ebenfalls die Schätzungen, aber CEO Chris Kempczinski zufolge kaufen die Kunden nun weniger Artikel pro Restaurantbesuch. Und der US-Autobauer General Motors meldete einen Umsatzanstieg in den USA und hob die Prognose für das Gesamtjahr an, warnte jedoch, dass die Preissetzungsmacht bei einigen Modellen nachlasse.

Auch die Hotelketten Hilton und Marriott gaben trotz starker Ist-Zahlen eher vorsichtige Ausblicke für die kommenden Quartale. Verstärkt wird dieser Eindruck laut Scharping durch das neue Lieblingswort von Vorständen, das in dieser ersten Berichtssaison 2023 bereits häufiger als während der Finanzkrise 2008/2009 gefallen ist: Credit Tightening (Kreditverknappung). "Am Aktienhimmel zeigen sich erste dunkle Wolken", so Scharping. (fp)