Sauren: "Lieber ein Prozent Alpha als zwei Prozent Beta"
Einblicke in die Praxis eines Dachfondsmanagers: Eckhard Sauren erklärt anhand der Reaktion zweier Fondsmanager auf die Frankreichwahl, wie ein Fondsselektor denkt und warum es besser sein kann, die auf den ersten Blick schlechtere Performance zu kaufen.
Die Marktreaktionen auf den ersten Wahlgang zu den französischen Präsidentschaftswahlen und die Resultate unterschiedlicher Fondsmanagement-Ansätze bieten eine gute Möglichkeit, "in den Kopf" eines namhaften Dachfondsmanagers zu blicken.
Die Ausgangssituation: Wären Marine Le Pen vom Front National und Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei in die Stichwahl eingezogen, so hätten die Märkte darauf sicherlich mit deutlichen Kursverlusten reagiert. Dass der europafreundliche Emmanuel Macron – neben Marine Le Pen – ins Finale einzieht und aller Voraussicht nach neuer französischer Staatspräsident werden wird, haben die Märkte dagegen mit Erleichterung und Kursgewinnen quittiert. Der Dachfondspionier Eckhard Sauren erläutert gegenüber FONDS professionell ONLINE, wie er mit solchen Spezialsituationen umgeht.
Herr Sauren, wie haben Sie als Fondsselektor die Reaktion der Märkte und ihrer Teilnehmer im Nachgang zur ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen gehandhabt?
Eckhard Sauren: Die Markterwartung war, dass der Einzug von Emmanuel Macron in die Stichwahl zu freundlichen Marktreaktionen führen und insbesondere Finanzwerte profitieren würden. Wir haben uns im Vorfeld des ersten Wahlgangs die Positionierung einiger ausgewählter Fondsmanager genau angeschaut, um die Entwicklung der entsprechenden Fonds nach dem Wahlentscheid entsprechend richtig interpretieren zu können.
Warum war das wichtig?
Sauren: Nur mit dem genauen Wissen über die Positionierung eines Fondsmanagers können wir feststellen, ob seine Performance nach dem Wahlgang als reines Beta, also der allgemeinen Marktentwicklung entsprechend, oder als Alpha, also als besondere Leistung des Fondsmanagers zu werten ist.
Und was bedeutet das für die konkrete Umsetzung in der Praxis?
Sauren: Lassen Sie mich das anhand von zwei Beispielen veranschaulichen. Absolute-Return-Fonds A unterstellte einen positiven Wahlausgang und hatte eine Netto-Aktienquote von 50 Prozent. Der Fonds hat nach dem Wahlgang zwei Prozent zugelegt, was allerdings vollständig mit der Marktentwicklung selbst zu erklären war. Absolute-Return-Fonds B war marktneutral aufgestellt, sprich: Er war zu gleichen Teilen in Long- und Short-Positionen investiert. Nach dem Wahlgang sind drei Top-Positionen von B deutlich angestiegen, und der Fonds erzielte ein Plus von einem Prozent. Dieses Ergebnis aber war eben nicht auf die allgemeine Marktentwicklung zurückzuführen, sondern auf die Aktienselektion und damit auf die besonderen Fähigkeiten des Fondsmanagers. Das war eben echtes Alpha.
Damit sagen Sie aber im Grunde nichts anderes, als dass eine Performance von einem Prozent besser sein soll als eine Performance von zwei Prozent.
Sauren: In diesem Fall ist das aus unserer Sicht tatsächlich so. Fondsmanager B messen wir eine hohe Wahrscheinlichkeit bei, aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten bei der Aktienselektion auch künftig einen nachhaltigen Mehrwert zu erwirtschaften. Bei Fondsmanager A war die Performance in diesem Fall eher rein marktbedingt.
Aber bestand die Leistung von Fondsmanager A nicht in einer besseren Vorhersage des Wahlausgangs?
Sauren: Das sehen wir nicht so. Die Märkte sind sehr effizient, von daher lässt sich durch eine Wahlprognose kein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Fondsmanager A ist bloß eine Wette auf den Wahlausgang eingegangen, die er – zugegeben – gewonnen hat. Eine besondere Leistung des Fondsmanagers sehen wir darin nicht, denn auch er konnte den Wahlausgang ja nicht besser vorhersagen, sondern ist einfach nur mehr Risiko eingegangen.(hh)