"Silberpanik" in London: Leere Tresore, explodierende Preise
Der Silberpreis erreicht ein Rekordhoch, die Tresore in London sind leer – Händler sprechen von einer "Silberpanik". Die Ursachen sind komplex: geopolitische Spannungen, industrielle Knappheit und eine zunehmende Flucht in Sachwerte.
In Londons Edelmetallhandel wächst die Nervosität: Laut einem Bericht von "N-TV.de" sind die Silberbestände in den Tresoren des weltgrößten Handelszentrums weitgehend aufgebraucht. "So etwas habe ich noch nie erlebt", so Fondsmanager Anant Jatia gegenüber dem Online-Portal des Senders. Der Markt sei praktisch illiquide.
Der Mangel treibt die Preise in die Höhe: Eine Feinunze Silber kostet inzwischen 53,55 US-Dollar – mehr als jemals zuvor, auch mehr als bei der Spekulationsblase im Jahr 1980. Anders als damals ist der Preisanstieg diesmal nicht von Zockern getrieben, sondern von einer Kombination aus geopolitischer Unsicherheit, Lieferengpässen und wachsender Nachfrage.
Flucht in Sachwerte
Laut dem Bericht fliehen Anleger angesichts globaler Krisen in physische Werte. Gold gilt traditionell als sicherer Hafen, doch nach dem Rekord von über 4.000 Dollar pro Unze ist es vielen zu teuer geworden. Viele Investoren greifen daher zum günstigeren Silber – getrieben auch von der Angst, den Boom zu verpassen ("Fear of Missing Out").
Seit Jahresbeginn hat sich Silber um rund 80 Prozent verteuert – stärker als Gold. Händler sprechen von einer "Silberpanik". Um bestehende Verträge zu bedienen, müssen Barren inzwischen per Frachtflug aus den USA nach London transportiert werden – ein Aufwand, der sonst nur bei Gold üblich ist.
Industrie und Energiewende heizen die Nachfrage an
Silber ist nicht nur Anlagegut, sondern auch ein unverzichtbarer Rohstoff. Es steckt in Solarmodulen, Batterien, Halbleitern und Elektroautos. Mehr als die Hälfte der weltweiten Nachfrage kommt mittlerweile aus der Industrie. Gleichzeitig sinkt die Förderung: Die Minenproduktion ist seit 2016 um sieben Prozent zurückgegangen, und 2025 droht das fünfte Angebotsdefizit in Folge, heißt es in dem Bericht von "N-TV.de".
In Indien verstärkt die Edelmetallnachfrage zusätzlich den Preisdruck. Zu den Festen Dussehra und Diwali wird traditionell in Silber investiert – die Importe haben sich binnen eines Jahres verdoppelt, Juweliere zahlen teils zehn Prozent Aufschlag auf den Weltmarktpreis.
Marktsignale und Short-Squeeze-Gefahr
Die sogenannte Gold-Silber-Ratio liegt derzeit bei rund 80, was auf eine Unterbewertung von Silber im Vergleich zu Gold hindeutet. Analysten sehen daher weiteres Aufwärtspotenzial.
Gleichzeitig geraten Leerverkäufer unter Druck: Weil physisches Silber knapp ist, sind die Leasingkosten für das Metall stark gestiegen. Händler müssen teure Barren aus New York einfliegen, um offene Positionen zu decken. Evy Hambro von Blackrock beschreibt die Situation als "Diskrepanz zwischen Papierkontrakten und physischem Metall". Schon geringe Marktbewegungen könnten Panik auslösen.
Experten erwarten keinen kurzfristigen Absturz
Trotz des rasanten Anstiegs rechnen viele Marktbeobachter nicht mit einem baldigen Ende der Rally. Paul Williams von Solomon Global sieht "starke, reale Kräfte" am Werk und hält einen Silberpreis von 100 Dollar bis Ende 2026 für möglich. Auch Analysten von Bank of America und BNP Paribas Fortis erwarten Verdopplungspotenzial.
"Wir stehen noch näher am Anfang als am Ende dessen, was sich zu einem der größten Edelmetall-Bullenmärkte entwickeln könnte", zitiert "N-TV.de" Philippe Gijsels von BNP Paribas Fortis.
Erinnerungen an 1980 – und Warnungen vor Übertreibung
Die Entwicklung erinnert an den legendären Silberboom von 1980, als die texanischen Hunt-Brüder versuchten, den Markt zu monopolisieren. Ihre Spekulation ließ den Preis explodieren, bis die US-Börsenaufsicht eingriff – und das Edelmetall binnen Wochen abstürzte.
Heute treiben keine Spekulanten, sondern strukturelle Engpässe den Preis. Dennoch warnen Analysten vor Parallelen. Der Silbermarkt ist deutlich kleiner als der Goldmarkt – schon moderate Kapitalabflüsse könnten eine heftige Korrektur auslösen. Goldman Sachs mahnt, ein Rückgang der Zuflüsse könne überproportionale Preisstürze bewirken.
Ein Vorgeschmack zeigte sich bereits, als der Preis binnen Stunden um vier Dollar fiel. "Das könnte ein Umkipper sein, der eine Konsolidierung einleitet", warnt ein Händler. (mb)














