Die Ankündigung der US-Regierung, dauerhafte Zölle auf Waren und Dienstleistungen vieler Länder weltweit zu erheben, hat auch in Deutschland für wachsende Unruhe gesorgt. Eine aktuelle Studie von Quantic Financial Solutions (QFS) analysiert erstmals systematisch die potenziellen Auswirkungen auf die deutsche Unternehmenslandschaft – und zeichnet ein besorgniserregendes Bild der wirtschaftlichen Realität.

Die Untersuchung basiert auf einer außergewöhnlich breiten Datenbasis: QFS analysierte mehr als 11.500 deutsche Unternehmen mit veröffentlichten Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2023. Dabei nutzte der Wiener Finanzdienstleister seinen seit 2014 validierten "Deep Data Analyst" (DDA), ein Prognosemodell, das makroökonomische Daten mit Bilanzinformationen kombiniert und eine Korrelation von über 90 Prozent mit tatsächlichen Finanzdaten aufweist.

Die Stichprobe ist repräsentativ für die deutsche Wirtschaftsstruktur. Am stärksten vertreten sind Handelsunternehmen (2.462 Firmen), gefolgt von Dienstleistungen (2.148), Bau (1.556) und Maschinenbau (1.158). Mehr als die Hälfte der analysierten Unternehmen (51,4 Prozent) weist Jahresumsätze von bis zu fünf Millionen Euro auf, nur 4,4 Prozent der Firmen erzielen einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro.

Schon das Basisszenario offenbart eine dramatische Entwicklung
Bereits im Basisszenario – ohne zusätzliche US-Zölle – offenbart die Studie strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft. Für 2025 prognostiziert QFS ein Schrumpfen des deutschen BIP um 0,2 Prozent bei einer Inflation von 2,9 Prozent. Bis 2030 bleibt das Wachstum schwach oder stagniert vollständig, während die Inflation auf 3,1 Prozent steigt.

Besonders alarmierend sind die Unternehmenskennzahlen: Die Eigenkapitalquote der schwächsten zehn Prozent der Unternehmen startet bereits 2024 bei nur neun Prozent und rutscht bis 2030 auf minus 57 Prozent ab – ein deutliches Anzeichen für erheblich zunehmende Insolvenzrisiken. Selbst im Median verschlechtert sich die Eigenkapitalausstattung von 32 Prozent auf nur noch sieben Prozent. Die Profitabilität zeigt einen noch dramatischeren Verlauf: Der Median der Gewinnmarge sinkt von bereits schwachen 1,8 Prozent (2024) auf nur noch 0,4 Prozent (2030). Die schwächsten zehn Prozent der Unternehmen verharren durchgehend bei null Prozent Profitabilität.

Ein 20-Prozent-Zoll-Szenario verschärft die Entwicklung noch
Im QFS-Szenario mit dauerhaften 20-Prozent-Zöllen der USA auf deutsche Exporte verschlechtert sich die Lage sogar erheblich: Das deutsche BIP schrumpft dann 2025 um 0,7 Prozent, die Inflation steigt auf vier Prozent. Bis 2030 bleibt das Wachstum um 0,8 Prozentpunkte schwächer als im Basisszenario. Ein starker Inflationsanstieg um gut einen Prozentpunkt 2025 baut sich zwar auf 0,2 Prozentpunkte pro Jahr ab, verschwindet aber bis 2030 nicht vollständig und wirkt somit permanent.

Die Auswirkungen treffen nicht alle Branchen gleich stark. Besonders betroffen sind exportorientierte Sektoren wie Automobil, Maschinenbau, Chemie/Pharma und Logistik. Bei der Profitabilität zeigen nur die Branchen "Energie" und "Andere" mehr Firmen mit steigender als mit fallender Profitabilität – alle anderen Industrien kämpfen mit Gewinnrückgängen.

Eigenkapitalentwicklung dramatisch schwach – Liquidität überraschend stabil
Selbst in den besten Branchen haben nur 26 Prozent der Unternehmen (langfristige Konsumgüter) eine steigende Eigenkapitalquote. Am schlechtesten schneiden Energie (sechs Prozent), Grundstoffe (acht Prozent) und Chemie/Pharma (zehn Prozent) ab. Ein unerwarteter Befund der Studie: Die Liquiditätssituation deutscher Unternehmen erweist sich als vergleichsweise stabil. Die Liquiditätsquote (kurzfristige Aktiva zu kurzfristigen Passiva) geht zwar zurück, aber deutlich weniger scharf als Eigenkapital und Profitabilität. Im 20-Prozent-Zoll-Szenario zeigt sich die Liquidität sogar "überraschend stabil", wie die Studienautoren feststellen.

Insgesamt führt die Kombination aus schwacher Eigenkapitalausstattung und sinkender Profitabilität allerdings zu steigenden Ausfallwahrscheinlichkeiten. Im Basisszenario verdoppelt sich die Ausfallwahrscheinlichkeit der schwächsten zehn Prozent der Unternehmen von 1,92 Prozent (2024) auf 4,06 Prozent (2030). 2024 hatten noch 54 Prozent aller Firmen eine Ausfallwahrscheinlichkeit unter einem Prozent pro Jahr – 2030 sind es nur noch 32 Prozent. Im 20-Prozent-Zoll-Szenario steigen die Ausfallwahrscheinlichkeiten entlang aller Quantile sogar noch weiter: auf 4,61 Prozent (statt 4,06 Prozent) bei den schwächsten Unternehmen und 1,89 Prozent (statt 1,64 Prozent) im Median.

Dringender Handlungsbedarf – auch bei Investoren
"Neue und positive wirtschaftliche Impulse sind somit dringend geboten!", fassen die Studienautoren zusammen. Deutsche Unternehmen würden bereits jetzt mit strukturellen Problemen kämpfen – ein Zollkrieg könne diese Schwächen weiter verstärken und zu einer Welle von Unternehmensinsolvenzen führen.

QFS empfiehlt Investoren, ihre Portfolios regelmäßig auf makroökonomische Risiken zu überprüfen und die Zusammensetzung deutscher Unternehmen genau zu analysieren. "Auch schlechte Branchen haben gute Firmen, aber bedeutend weniger als gute Branchen", betonen die Autoren. Die Studie zeige aber klar, dass sich Veränderungen der makroökonomischen Rahmenbedingungen langfristig auf Portfolios auswirken könnten. (hh)