Die makroökonomischen Folgen der Zölle in den USA haben die öffentliche Diskussion in den vergangenen Monaten beherrscht. Doch es gibt ein weiteres Risiko für die amerikanische Wirtschaft, das bislang allerdings unterschätzt wird: der Einwanderungsstopp. Davon ist Benoit Anne, Anleiheexperte bei MFS Investment Management, überzeugt. "Unserer Ansicht nach könnten die Auswirkungen des Einwanderungsstopps ein größeres Problem für die US-Wirtschaft sein als die Zölle", schreibt er in einem aktuellen Marktkommentar.

Momentan sei noch nicht abzusehen, zu welchen Effekten der Stopp tatsächlich führen wird. Anne zufolge könnte ein Szenario auf einen negativen Wachstumsschock verbunden mit einem Rückgang des Arbeitskräfteangebots hinauslaufen. Schließlich hätten die Einwanderer in den letzten Quartalen einen großen Teil zum Beschäftigungswachstum beigetragen. 

Probleme in der Versorgungskette möglich
"Dieser Mangel an Arbeitskräften könnte wiederum zu Problemen in der Versorgungskette führen, insbesondere in den Sektoren, in denen viele Einwanderer beschäftigt sind", so der Experte. Das würde möglicherweise ein Absacken der Nachfrage verursachen. "Eine solche Entwicklung würde sicherlich die Aufmerksamkeit der Fed wecken", so Anne.

Ein anderes Szenario bezieht sich auf die Inflation. Sollte es am Arbeitsmarkt zu Engpässen kommen, könnten die Löhne unter Druck geraten. Dies würde dazu führen, dass sich die Teuerung hartnäckig hält, was weitere Zinssenkungen verhindern würde.

Weniger Wachstum, geringere Zinsen
Gleichzeitig verringert sich in der Regel das Wirtschaftswachstum mit abnehmendem Bevölkerungswachstum. Dies lasse sich historisch belegen, schreibt Anne. "Wenn die Auswirkungen des Einwanderungsstopps nicht durch andere Faktoren ausgeglichen werden, müssen wir uns in den USA auf weniger Wachstum und niedrigere Zinsen einstellen", befindet er.

Für die Duration in den Portfolios von Anleiheinvestoren sei das allerdings nicht unbedingt ein schlechtes Szenario. Für Wachstumsaktien wäre eine solche Situation jedoch weniger positiv. "Vor diesem Hintergrund werden die Produktivität und damit verbundene Effizienzsteigerungen durch den technologischen Fortschritt weiterhin ein wichtiges Thema für Anleger sein", so der Kapitalmarktexperte. (am)