Warum sich Flossbach von Storch nicht vor dem "Todeskreuz" fürchtet
Ein charttechnisches Phänomen namens "Death Cross" sorgt bei Anlegern derzeit für Verunsicherung. Zu Recht? Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege beim Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch, hat da seine Zweifel.
Das "Todeskreuz", das sich derzeit in mehreren bekannten Aktienindizes wie dem MSCI World, dem S&P 500 oder dem Nasdaq 100 erkennen lässt, sollte Anleger nicht beunruhigen. Darauf weist Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch (FvS), in einem Marktkommentar hin.
Charttechniker sprechen von einem "Death Cross", wenn der gleitende Durchschnitt der vergangenen 50 Handelstage unter den der letzten 200 Handelstage fällt. In diesem Fall schneidet die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie, was sich mit etwas Phantasie als Kreuz interpretieren lässt. Ab diesem Punkt, so die Theorie, droht die Börse weiter nach unten zu rauschen.
Nach kurzer Zeit ist kein Unterschied mehr zu erkennen
Doch trägt das Todeskreuz seinen Namen zu Recht? Lehr hat nachgerechnet – und fand keinen Beweis dafür. Als Beispiel nennt er den S&P 500, bei dem sich seit den späten 1920er Jahren Lehr zufolge 25 derartige Chartkonstellationen finden lassen. "Tatsächlich entwickelte sich der Index über den jeweils folgenden Monat im Schnitt zwei Prozent schlechter", räumt der Kapitalmarktstratege ein. "Doch schon nach drei oder sechs Monaten ist kein nennenswerter Unterschied mehr zu entdecken und über ein Jahr liegt die Wertentwicklung beim S&P 500 nach einem Todeskreuz mit 9,45 Prozent (Median) über dem Jahresschnitt seit 1929 (der bei 7,72 Prozent lag)."
Bei anderen Indizes sehe die Statistik sogar noch etwas besser aus. "Wer beispielsweise nach Todeskreuzen im Nasdaq Composite oder Nasdaq 100 sucht, wird feststellen, dass die Wertentwicklung im folgenden Jahr noch deutlicher über dem langjährigen Mittel liegt."
Kein Vorbote des Crashs, sondern dessen Folge
Bei einem Kurssturz sei es nicht ungewöhnlich, dass der Durchschnittskurs der kürzeren Periode unter den der längeren Periode rutsche, so Lehr. Das erkläre auch, weshalb das Todeskreuz bei fast jedem größeren Kurseinbruch zu beobachten sei. "Allerdings nicht als dessen Vorbote, sondern als mathematisch unvermeidliche Folge des Rückgangs." Hier liege eine klassische vertauschte Kausalität vor, betont der FvS-Stratege: "Nicht das Signal löst den Absturz aus, sondern der Absturz erzeugt das Signal."
Daher sei in der Vergangenheit der Kursrutsch in vielen Fällen bereits beendet gewesen, bevor das "Signal" auftauchte. "Gut möglich, dass dies auch diesmal der Fall ist", meint Lehr. "Während ein Großteil der Aktienindizes ihre Kurstiefs am 7. April markierten, erschienen die meisten Todeskreuze erst einige Tage später." (bm)