"Zu langsam, zu viele Ausreden": Draghi wirft EU Versagen vor
Ex-EZB-Chef Mario Draghi wirft der EU zu langsames Handeln vor: Europa verliere im globalen Wettbewerb an Boden. Von Energie bis KI brauche es mehr Tempo, gemeinsame Investitionen und weniger nationale Blockaden, um mit den USA und China mitzuhalten.
Die Europäische Union bewegt sich nach Ansicht von Mario Draghi zu langsam, um ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Region kann mit dem "Tempo einer sich wandelnden Weltordnung nicht Schritt halten", sagte der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) in Brüssel. Die Bürger seien "enttäuscht" über den geringen Fortschritt.
"Allzu oft werden Ausreden für diese Langsamkeit vorgebracht", kritisierte Draghi. "Ein anderer Weg erfordert neue Geschwindigkeit, neuen Umfang und neue Intensität." Er rief die Mitgliedstaaten auf, stärker gemeinsam zu handeln.
Plan für mehr Wettbewerbsfähigkeit
Der frühere italienische Premierminister hatte vor einem Jahr einen umfassenden Bericht vorgelegt. Dieser enthält Vorschläge, wie Europa seine Position angesichts schwindender transatlantischer Bindungen, Chinas Aufstieg zur Supermacht und des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stärken könne.
Der Ökonom warnte vor überbordender Regulierung in Zukunftsfeldern wie künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig verteidigte er den Vorschlag, europäische Schulden gemeinsam aufzunehmen. "Gemeinsame Emission würde nicht magisch fiskalischen Spielraum schaffen. Aber sie würde es Europa ermöglichen, größere Projekte zu finanzieren – von bahnbrechender Innovation über Energienetze bis zur Verteidigungsforschung."
Milliarden-Investitionen notwendig
Um mit den USA und China mitzuhalten, brauche die EU zusätzliche Investitionen von rund 800 Milliarden Euro jährlich, so Draghi. Nationale Kleinstaaterei könne die notwendige Schlagkraft nicht mehr liefern.
Draghi forderte auch eine neue Herangehensweise an Staatshilfen: "In der Praxis wirken staatliche Hilfen oft wie Protektionismus – sie beschränken die Aktivitäten innerhalb der Grenzen, statt europäische Branchen aufzubauen, die weltweit konkurrenzfähig sind." Er verlangte einen "Fast Track"-Prozess zur Überprüfung der Wettbewerbsregeln.
Von der Leyen fordert mehr Tempo
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, die Leitlinien zur Fusionskontrolle vorzuziehen, die eigentlich erst 2027 geplant waren. Sie verwies auf den Internationalen Währungsfonds: Barrieren im Binnenmarkt wirkten wie ein Zoll von 45 Prozent auf Waren und 110 Prozent auf Dienstleistungen. "Wir brauchen dringendes Handeln für dringende Bedürfnisse", sagte von der Leyen.
Viel versprochen, wenig umgesetzt
Laut dem Think Tank EPIC sind nur rund elf Prozent der 383 Empfehlungen aus Draghis Bericht vollständig umgesetzt. Weitere 20 Prozent seien teilweise realisiert. Die Deutsche Bank attestierte gemischten Fortschritt: mehr Tempo bei Verteidigungsindustrie und Rüstungsausgaben, weniger bei Innovation und Kapitalmärkten. (mb/Bloomberg)














