Provisionsverbot voraus? Die Branche hat längst eine Lösung gefunden
FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch über die Brüsseler Gedankenspiele, Zuwendungen in der Anlageberatung zu verbieten.
Es war eine Weile ruhig geworden um den regulatorischen Dauerbrenner aus Brüssel, doch jetzt ist die Diskussion wieder voll entbrannt. Dass die EU-Kommission Provisionen in der Anlageberatung tendenziell skeptisch gegenübersteht, ist seit Jahren bekannt. Nach der wachsweichen Lösung, die für die seit fünf Jahren geltende Finanzmarktrichtlinie Mifid II gefunden wurde, wiegte sich die Finanzbranche einige Zeit in Sicherheit. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis das Thema wieder auf die Tagesordnung kommen würde.
Im Herbst vergangenen Jahres betonte zunächst Europas oberste Wertpapieraufseherin im Interview mit FONDS professionell, dass die Diskussion um ein Provisionsverbot keineswegs beendet ist. Kurz vor Weihnachten legte dann die EU-Kommission nach, die gerade an der "Retail-Investment-Strategie" arbeitet, einem noch fehlenden Baustein ihrer Kapitalmarktunion-Agenda. Die zuständige Kommissarin Mairead McGuinness lässt deutliche Sympathien für ein komplettes Zuwendungsverbot erkennen, was bei den Lobbyisten der Banken- und Vermittlerszene die üblichen Reflexe hervorruft.
Anlageberatung auf Provisionsbasis kann kein attraktives Geschäft sein
Dabei, und das ist den Branchenverbänden natürlich klar, funktioniert der Finanzvertrieb auf Provisionsbasis schon seit Jahren nur noch dank einer Ausnahme im Regelwerk. Eigentlich dürfen Wertpapierdienstleister nämlich "keine Zuwendungen von Dritten annehmen" – so steht es im Gesetz. Erlaubt ist das nur, wenn die Zahlungen erstens offengelegt werden und zweitens "dazu bestimmt sind, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern".
In der Konsequenz bedeutet das, dass eine Bank aus Provisionen keinen Gewinn mehr erwirtschaften kann. Die Zahlungen der Fonds- und Zertifikateanbieter dürfen nur noch dazu eingesetzt werden, Kosten zu decken, beispielsweise das Filialnetz aufrechtzuerhalten oder Endkunden-Tools zu entwickeln, die über das regulatorisch ohnehin Geforderte hinausgehen. Damit ist klar, dass die Anlageberatung auf Provisionsbasis für Banken kein attraktives Geschäft sein kann.
Nur vermeintlicher Verbraucherschutz
Kein Wunder also, dass sich die Branche längst auf eine Welt ohne Provision einstellt. Die Lösung, die sich als bevorzugter Ausweg herauskristallisiert, heißt allerdings nicht Honorarberatung. Vielmehr wird mittlerweile auch Kunden mit kleinerem Geldbeutel immer häufiger empfohlen, eine Vermögensverwaltung abzuschließen, meist auf Fondsbasis. Dort fließen keine Zuwendungen, sondern die Anleger bezahlen eine Gebühr, denn in der Finanzportfolioverwaltung untersagt Mifid II Provisionen generell.
Weil das Geld in diesem Fall direkt vom Kunden und nicht vom Fondsanbieter stammt, darf es als Gewinn verbucht werden. Für die Bank ist das natürlich ein Riesenvorteil. Und für den Anleger? Für den ist eine standardisierte Fonds-Vermögensverwaltung in aller Regel keineswegs günstiger als eine Anlageberatung auf Provisionsbasis. Sollte die EU-Kommission also Erfolg haben mit ihrem Plan, Provisionen zu verbieten, könnte sie sich für einen Verbraucherschutz feiern lassen, der in Wahrheit deutlich kleiner wäre als gemeinhin vermutet.
Kommentare
Prämienunwesen
AntwortenDie Fondsverwaltungsgesellschaft lobt die Bestandsprämie aus, um die Nachhaltigkeit ihres (!) Vertriebserfolgs zu sichern. Sie wälzt diese Kosten auf den Privatanleger ab zulasten des Sondervermögens. Machte sie das beim professionellen Anleger, würde er ihr sofort die Freundschaft kündigen. Würden Kapitalverwaltungsgesellschaften Vertriebsfolgeprovisionen aus eigener Tasche zahlen?
Finanzanwalt am 13.01.23 um 13:29Bestandsgeschäft gefährdet?
AntwortenZusammenfassung zum Thema gekonnt professionell, danke Bernd Mikosch. Auch der Schlussfolgerung stimme ich zu. Neugeschäft wird in unserem Unternehmen schon seit Jahren primär in Fonds-VV vermittelt. Unklar ist mir, ob die beabsichtigen Regelungen auch für das Bestandsgeschäft eingeführt werden sollen. Banken, Vertriebseinheiten und auch wir als Finanzmakler "leben" von den Bestandsprovisionen, den "Vermittlungsfolgeprovisionen". Juristisch würde ich vermuten, dass das bestehende Verträge sind, in die nicht rückwirkend eingegriffen werden kann. Aber stimmt das? Ich freue mich über jeden professionellen Hinweis zu diesem Teilthema. Und setze auch auf den AfW als unseren Intereressenvertreter gegenüber der ESMA und der EU-Kommission, dass wir auch zukünftig Vermittlungsfolgeprovisionen aus bereits vermittelten Fonds vereinnahmen dürfen.
Michael.Podsada am 12.01.23 um 12:17Vermögensverwaltung
AntwortenHierzu einmal eine Frage...wenn eine Vermögensverwaltung laut EuGH kein Finanzprodukt ist und die entsprechenden Verträge damit quasi frei aushandelbar sind, unterliegt dann diese Vermögensverwaltung überhaupt MiFid II? Hat das mal jemand geprüft?
gurniak@yahoo.de am 12.01.23 um 12:00AW: Vermögensverwaltung
AntwortenDie Finanzportfolioverwaltung (umgangsprachlich als Vermögensverwaltung bezeichnet) unterliegt den Mifid-II-Regeln. Das EuGH-Urteil von 2017 bezieht sich nur auf die Vermittlung entsprechender Verträge. Diese Vermittlung (und nur diese) ist seit diesem Urteil erlaubnisfrei möglich, weil der EuGH die Finanzportfolioverwaltung nicht als Finanzinstrument einstuft (anders als zuvor die Bafin). Viele Grüße Bernd Mikosch
mikosch@fondsprofessionell.com am 12.01.23 um 12:46