Gut ein Jahr ist es her, dass Union Investment und Laiqon eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichneten, nun wird das Produkt deutschlandweit in den Volks- und Raiffeisenbanken ausgerollt: Hinter der "Wertanlage", die die Private-Banking-Berater der Genossenschaftsbanken ihren Kunden seit Neuestem anbieten können, steckt auf den ersten Blick nur eine fondsgebundene Vermögensverwaltung. Auf den zweiten Blick handelt es sich aber um eine durchaus bemerkenswerte Kooperation, die für die Branche richtungsweisend sein könnte.

Kundenindividuelle Massenproduktion
Beachtlich sind drei Punkte: Da ist erstens die Tatsache, dass die Kunden, obwohl es sich um ein standardisiertes Produkt handelt, sehr viele Wahlmöglichkeiten haben, etwa mit Blick auf Anlageregionen oder Investmentthemen. Im Ergebnis wird kaum ein Depot aussehen wie das andere. Dies wiederum ist nur möglich – und das ist der zweite bemerkenswerte Punkt –, weil die Portfolios von einer künstlichen Intelligenz (KI) bestückt und gesteuert werden. Für einfache Algorithmen wäre diese Aufgabe zu komplex, und Portfoliomanager aus Fleisch und Blut wären zu teuer, weil es zu viele davon bräuchte. Die KI dagegen erlaubt es, gewissermaßen eine kundenindividuelle Massenproduktion anzubieten.

Drittens erstaunt, dass Union Investment bereit dazu war, einen großen Teil der Wertschöpfung außer Haus zu geben. Die Laiqon-Tochtergesellschaft LAIC wählt nicht nur die Fonds aus und managt die Depots, sie steuert auch große Teile des Reportings bei. Noch während die Beratung in der Volks- und Raiffeisenbank läuft, erstellt die Software im Hintergrund fast in Echtzeit einen kompletten Vermögensverwaltungsvertrag. Weil so gut wie jedes Depot anders aussieht, erhält auch jeder Kunde ein anderes Quartalsreporting. Dieses Gesamtpaket ist offensichtlich nichts, was es auf dem Asset-Management-Markt an jeder Ecke zu kaufen gibt oder was sich schnell intern programmieren ließe. Sonst hätte sich Union Investment nicht auf eine Kooperation mit einem vergleichsweise kleinen Hamburger Vermögensverwalter eingelassen.

Viele Profiteure
Von dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit können viele Seiten profitieren. Liefert die KI, was sie verspricht, erhalten die Kunden ein wirklich individuelles, professionell gemanagtes Portfolio – ein deutlicher Fortschritt zu den weit verbreiteten Depots, in denen sich scheinbar wahllos zusammengekaufte Fonds aneinanderreihen. Die Volks- und Raiffeisenbanken können ihren Premiumkunden nicht nur eine innovative Geldanlage bieten, sondern machen sich auch unabhängig von Ausgabeaufschlägen und Bestandsprovisionen, die regulatorisch und betriebswirtschaftlich immer unattraktiver werden.

Union Investment wiederum erweitert mit überschaubarem Ressourcen- und Kapitaleinsatz die hauseigene Produktpalette für die Genossenschaftsbanken um eine Dienstleistung, die es in dieser Form und Größenordnung am Markt bisher noch nicht gegeben hat. Und Laiqon? Profitiert gleich doppelt: Die Hamburger können mit diesem Prestigeprojekt zum einen weitere potenzielle Kooperationspartner auf sich aufmerksam machen – und sich zum anderen über signifikante Mittelzuflüsse freuen. Schließlich haben die Vertragsparteien vereinbart, dass jeder fünfte "Wertanlage"-Euro in Laiqon-Fonds investiert wird.

Sonderlich günstig ist die "Wertanlage" nicht
Gewiss ist, dass viele in der Branche genau beobachten werden, wie sich das Gemeinschaftsprojekt entwickelt. Wird die "Wertanlage" zum Erfolg, dürfte recht schnell mit Nachahmern zu rechnen sein. Vielleicht können sich die Kooperationspartner dann auch noch mal über die Gebühren beugen. Anfangs zahlen die Kunden neben den laufenden Fondskosten nämlich eine jährliche Verwaltungsgebühr von 0,86 Prozent und eine Servicegebühr, deren Höhe die Bank selbst festlegen kann. Sonderlich günstig für die Anleger wird diese Form der Vermögensverwaltung daher wahrscheinlich nicht. Aber das ist ja das Schöne an der Massenproduktion, selbst wenn sie dank KI kundenindividuell erfolgt: Sobald eine kritische Größe erreicht ist, lassen sich Skaleneffekte weitergeben.