"Das 'S' in ESG ist ein Investmentthema mit Zukunft"
Marketing-Schachzug oder echte Investmentchance? Nach dem Annahmestopp für den Klimafonds bietet Nordea Asset Management Neu-Investoren den hauseigenen Social Empowerment Fund als Alternative an. Fragen an Vertriebschef Dan Sauer.
Wegen Überfüllung geschlossen hieß es am 1. Februar beim Nordea 1 - Global Climate and Environment Fund. Seither gibt die Gesellschaft keine Anteile an Neu-Anleger mehr aus. Begründet wurde das "Soft Closing" mit den jüngst erzielten Vertriebserfolgen. Mit einem Fondsvolumen von inzwischen über sieben Milliarden Euro, das aufgrund der hohen Mittelzuflüsse erreicht wurde, sei die Kapazitätsgrenze des Fonds fast erreicht. Einem Überschreiten wolle man zuvorkommen, hieß es von dem skandinavischen Asset Manager, der mit dem Nordea 1 - Global Social Empowerment auch gleich eine Alternative für Neu-Anleger parat hatte. Das hat bei einigen Beobachtern Fragen aufgeworfen, über die FONDS professionell ONLINE mit Dan Sauer, Gesamtverantwortlicher für den Nordea-Vertrieb in Zentraleuropa, gesprochen hat.
Herr Sauer, nach dem "E" nun das "S" – nach dem Annahmestopp für Ihren Klimafonds kommen Sie prompt mit einem Themenfonds über soziale Mitgestaltung. Mancher Marktteilnehmer hat sich gefragt: Schachzug des Marketings oder echte Investmentchance?
Dan Sauer: Aus meiner Sicht ist unser Angebot ganz klar eine nachhaltige Investmentlösung, die zudem attraktive Renditen erwarten lässt. Der Klimafonds wurde 2008 aufgelegt und hat über ein Jahrzehnt lang ein Schattendasein geführt, bis die Anleger das Thema und die damit verbundene Renditechancen für sich entdeckt haben. Ich lade jeden dazu ein, möglichst früh ein weiteres sinnvolles Thema im Bereich des nachhaltigen Investierens für sich zu entdecken – sinnvoll im wirtschaftlichen Sinne für den Investor, aber auch für die Gesellschaft durch Lenkung des Kapitals und mit uns als aktivem Eigentümer.
Warum kommt es gerade jetzt zu dieser Entwicklung?
Sauer: Hier hat die Corona-Pandemie sicher eine wichtige Rolle gespielt und das Interesse an sozialen Aspekten geweckt. Die Bedeutung unserer Gesundheits- und Bildungssysteme war uns nie bewusster. Gleichzeitig müssen Unternehmen überdenken, wie sie ihre Mitarbeiter, ihre Kunden, ihre Lieferketten und die Gesellschaft insgesamt behandeln. Weltweit fordern Protestierende mehr Vielfalt und Chancengleichheit sowie die Bekämpfung von Vorurteilen. Und unterstreichen damit die dringende Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit. Diese Notwendigkeit spiegelt sich übrigens auch sehr deutlich in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Sie sprechen von den sogenannten SDGs, die inzwischen in aller Munde sind.
Sauer: Genau. Die UN hat im Jahr 2015 diese 17 Ziele definiert, um bis zum Jahr 2030 die dringendsten Fragen der Welt anzugehen. Allein elf dieser Ziele widmen sich der Stärkung sozialer Belange, dem sogenannten "Social Empowerment". Wenn die UN also soziale Belange als das Zukunftsthema betrachtet, warum nicht auch die Anleger? Vor allem deshalb, weil ein stärkeres Augenmerk auf das "S" auch wirtschaftlich Sinn ergibt. Um die erwähnten Ziele zu erreichen, sind geschätzte Investitionen in Höhe von fünf bis sieben Billionen US-Dollar pro Jahr erforderlich – aber nur die Hälfte wird derzeit dafür aufgebracht. Das bietet ein gewaltiges Chancenreservoir und Wachstumspotenzial für Unternehmen, von dem Investoren profitieren können.
Wie macht Nordea das "S" in ESG denn konkret investierbar?
Sauer: Mit dieser Frage hat sich unser Investmentteam – übrigens das gleiche, das auch die "Global Climate and Environment"-Strategie verwaltet – lange vor Auflegung unseres "Social Empowerment"-Konzepts beschäftigt. Das Team investiert in Unternehmen, die Lösungen für die wachsenden sozialen Herausforderungen anbieten können und konzentriert sich dabei auf drei Themenbereiche: Erstens Grundbedürfnisse, das betrifft Unternehmen, die minimale Grundressourcen für langfristiges Wohlbefinden bereitstellen, einschließlich Wasser- und Sanitärversorgung, Nahrung und erschwinglichem Wohnraum. Zweitens den Aspekt Inklusion, also Unternehmen, die Humankapital fördern, die digitale Vernetzung verbessern und Infrastrukturen zur Unterstützung der wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Integration aufbauen. Und drittens das Thema Mitgestaltungsmacht, bei dem wir uns auf Lösungen konzentrieren, die Menschen durch bestimmte Mittel befähigen, dauerhaften Wohlstand zu schaffen und ihr Wohlbefinden zu verbessern.
Geht es noch etwas konkreter?
Sauer: Insgesamt umfasst das Anlageuniversum der Strategie ein breites Spektrum aus insgesamt über 1.000 Unternehmen. Im Bereich Grundbedürfnisse investieren wir zum Beispiel in Simply Good Foods, einen US-Hersteller von gesunden Snacks, der innovative, gesündere Snack-Alternativen anbietet, die den gleichen Geschmack bieten wie ihre ungesunden Pendants.
Haben Sie auch ein Beispiel für die beiden anderen Aspekte?
Sauer: In Bezug auf das Thema Inklusion werden laut UNO rund 69 Millionen neue Lehrer benötigt, um die Bildungsziele für 2030 zu erreichen. Die norwegische Online-Lernplattform Kahoot! ermöglicht es Lehrern, ihren Lehrplan in ein unterhaltsames und ansprechendes digitales Format zu verwandeln, das eine größere Reichweite hat und viel effektiver ist als herkömmliche Mittel. Und ein Beispiel für den Aspekt Mitgestaltungsmacht ist die indonesische Bank Rakyat. Etwa 20 Prozent der indonesischen Bevölkerung sind weiterhin anfällig für Armut und haben keinen Zugang zu traditionellen Finanzdienstleistungen. Zum einen stellt das Finanzinstitut Kleinunternehmen, die keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben, Mikrofinanzierungen zur Verfügung, zum anderen bietet es Bank- und Sparkonten für Personen mit niedrigem Einkommen an.
Dann bietet das "S"-Thema in Ihren Augen genauso große Chancen wie bisher vor allem der Klima-Aspekt?
Sauer: Der Bereich "Social Empowerment" ist auf jeden Fall ein Investmentthema, das Zukunft hat, davon bin ich überzeugt. Wir haben die Macht der Kapitalallokation beim Thema Klima gesehen. Und es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, warum wir nicht auch innovative, nachhaltige und gleichzeitig renditestarke Lösungen für die Stärkung sozialer Belange finden sollten, die auch für viele Anleger attraktiv sind.
Wir danken für das Gespräch. (hh)