"In Phase 3 werden wir wahrscheinlich sowohl eine Konsolidierung als auch eine Neuorientierung bei ESG-Anlagen erleben", sagt Markus Müller, Chief Investment Officer für ESG bei der Privatkundenbank der Deutschen Bank. "Ich glaube nicht, dass die Anleger ihre ESG-Allokationen wesentlich reduzieren oder einstellen werden, während sie auf bessere Informationen warten, aber sie werden auch weiterhin ihre Investitionsansätze neu bewerten und neu ausrichten."

Der große Wendepunkt für ESG in diesem Jahr war die Energiekrise. Fondsmanager, die nicht in Energieanlagen investiert waren, stellen sich nun neu auf, um sicherzustellen, dass sie nicht wieder auf dem falschen Fuß erwischt werden. Müller verweist auf die enormen Gewinne, die ESG-Investoren durch den Verzicht auf Öl- und Gasanlagen verpasst haben: Der S&P 500 Energy Index ist in diesem Jahr um mehr als 50 Prozent gestiegen, während der breitere S&P 500 um fast 25 Prozent gefallen ist. Dieses "Performance-Defizit hat zu einer breiteren Debatte" innerhalb der ESG-Fondsbranche geführt, so Müller.

Die Herausforderung für ESG-Fondsmanager besteht nun darin, herauszufinden, ob sie "bestimmte potenziell problematische Sektoren" in ihre ESG-Strategien einbeziehen sollen, um sicherzustellen, dass den Anlagekunden keine Rendite entgeht, so Müller.

Schwierige Phase für ESG-Investments
ESG-Investoren und -Fondsmanager haben ihr bisher schwierigstes Jahr hinter sich. Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine hat offenbart, dass Milliarden von ESG-Dollar in russische Vermögenswerte geflossen waren. Der Boom bei Rohstoffen ging an ESG-Anlegern vorbei. Tech-Aktien, ein Hauptbestandteil von ESG-Fonds, brachen ein. Und in einer Reihe republikanischer US-Bundesstaaten sind ESG-Fonds auf schwarze Listen gesetzt worden.

Die Notwendigkeit, in Anlageklassen zu investieren, die einen Übergang zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft ermöglichen, sei dennoch größer denn je, so Müller. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir eine breite und tiefgreifende Debatte darüber führen, wie wir mit dem derzeitigen wirtschaftlichen Wandel umgehen", sagte er. "Diese Debatte wird einen besseren Informationsfluss fördern, der künftige ESG-Investitionsansätze untermauern kann." (mb/Bloomberg)