Growth-Manager: "Wir haben weder Apple noch Meta im Portfolio"
Tim Garratt von Baillie Gifford erklärt im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE, warum ihn kurzfristiger Erfolg kaltlässt – und wieso der Flaggschifffonds der Schotten nicht in Apple und Meta investiert.
Der schottische Investmentmanager Baillie Gifford investiert mit einer langfristigen Perspektive in eine konzentrierte Auswahl an Wachstumsaktien. Portfoliomanager Tim Garratt erklärt im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE, warum ihn der kurzfristige Erfolg kaltlässt, wieso sich im Flaggschifffonds Baillie Gifford Worldwide Long Term Global Growth weder Meta- noch Apple-Aktien finden und wo er stattdessen bessere Möglichkeiten sieht.
Herr Garratt, mit Ihrer Long-Term-Growth-Strategie haben Sie vergangenes Jahr den MSCI-Welt-Aktienindex geschlagen, und das trotz eines Untergewichts in US-Aktien. Wie ist Ihnen das gelungen?
Tim Garratt: Dieses Ergebnis freut uns natürlich, aber ehrlich gesagt orientieren wir uns beim Aufbau des Portfolios nicht am Index und achten auch nicht auf kurzfristige Performance. Wir investieren mit Weitblick und suchen weltweit die besten 40 bis 50 Aktien von Firmen, denen wir über die kommenden Jahre außerordentliches Wachstum mit einer jährlichen Verfünffachung des Gewinns zutrauen. Technologie sehen wir schon lange als ein ganz dominantes und tiefgreifendes Thema und wir haben bekannte Technologietitel wie Nvidia oder ASML im Portfolio. Dazu kommen viele Firmen, deren Geschäftsmodelle auf KI aufbauen, etwa in der digitalen Chirurgie oder im digitalen Bankgeschäft.
Was halten Sie von den US-Mega-Caps?
Garratt: Die Märkte haben sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren sehr stark auf die Magnificent Seven fokussiert. In den meisten dieser sieben Titel haben wir in den vergangenen Jahren unsere Positionen eher zurückgeschraubt und sind mit dem Gewinn in andere, jüngere Firmen eingestiegen, denen wir für die kommenden Jahre mehr Wachstum zutrauen.
Und wo finden Sie diese?
Garratt: Wir überlegen uns immer, wo eine Firma in zehn Jahren stehen dürfte. Das ist ein großer Unterschied zu vielen Wettbewerbern, die sehr viel kurzfristiger agieren. Unser Portfolioumschlag liegt irgendwo bei zehn bis 15 Prozent pro Jahr, die durchschnittliche Aktie halten wir etwa acht Jahre. Einige Titel wie Amazon oder Hermès haben wir seit 20 Jahren. Die Firmen in unserem Portfolio kommen aus unterschiedlichsten Bereichen.
Wann verkaufen Sie?
Garratt: Wichtig ist für uns erst einmal die Haltedisziplin, da gerade bei jungen Firmen die Kurse oft volatil sind. So war das etwa bei Tesla oder Nvidia, bei denen wir sehr früh investiert waren. Aber nur, dass eine Aktie gut läuft, reicht nicht für einen sicheren Platz im Portfolio. Es gibt bei 40 Portfoliopositionen immer einen gesunden Wettbewerb um Kapital und genügend Anwärter. Wir fragen uns deshalb regelmäßig, ob eine bisher erfolgreiche Firma ihren Gewinn auch in Zukunft weiter verfünffachen kann. Dabei spielt auch die Kultur eine Rolle; sie ändert sich oft, wenn eine Firma größer wird.
Sie haben aktuell mehr Amazon als Nvidia.
Garratt: Nvidia ist eine faszinierende Firma, die in einem unglaublich starken Ökosystem agiert. Wir haben unsere Position aber deutlich reduziert, zeitweise gezwungenermaßen, da die Aktie an unsere Zehn-Prozent-Deckelung für Einzeltitel stieß. Das Geld investierten wir dann in Firmen, die etwas früher im Wachstumszyklus stehen. Wir mögen auch Amazon, deren Cloud-Computing-Plattform ist ein echter Generationensprung. Von Nvidia wie Amazon sind wir weiterhin überzeugt und halten in beiden Aktien große Positionen. Aber mit steigender Firmengröße wird es immer schwieriger, die Gewinne auch künftig weiter im bisherigen Tempo zu steigern.
Apple und Meta finden sich gar nicht unter Ihren Top-Holdings.
Garratt: Wir haben weder Apple noch Meta im Portfolio. Apple hatten wir von 2008 bis 2014, und die Aktie verachtfachte sich in der Zeit. Wir haben dann verkauft, da wir uns nicht mehr vorstellen konnten, wie die Firma ihre Gewinne weiterhin in dem Tempo steigern könnte. Im Nachhinein war das zu früh. Aber sollen wir heute einsteigen? Wir glauben nicht.
Und Meta?
Garratt: Meta und übrigens auch Alphabet sind interessant – aber sind Nutzer, die heute zu Meta kommen, dieselben wie vor zehn Jahren? Sicher nicht. Die Anzeigenindustrie, die weltweit mehr als eine Billion US-Dollar bewegt, nutzt zunehmend Anbieter wie The Trade Desk, die Hunderte von Millionen Anzeigenimpressionen pro Minute auswerten und ihre Kunden punktgenau beraten können, wo sie das Anzeigenbudget einsetzen. Durch die Digitalisierung von TV und Audio dank Streaming wird auch dort personalisierte Werbung möglich, und eine Plattform wie Trade Desk wird Umsatz dorthin leiten – möglicherweise zu Lasten von Alphabet und Meta. Wir investieren also lieber in Trade Desk, die durch Partnerschaften mit Unternehmen wie Disney und Spotify an vorderster Front der digitalen Werberevolution stehen.
Vielen Dank für das Gespräch. (jh)