"Das ist eine klare Sache", heißt es oft, wenn eine Aufgabe, eine Fragestellung oder ein Vorhaben konkret und präzise umrissen ist. Doch es kann auch passieren, dass die Sache umso unklarer wird, je mehr sie konkretisiert, präzisiert und erläutert wird. Dann verliert sich die Aufgabe, die Fragestellung oder das Vorhaben immer weiter in Details, bis vor lauter Information am Ende niemand mehr versteht, worum es eigentlich gehen soll.

Eine solche Flut an Infos, Erläuterungen und Detailbeschreibungen ist am 1. Januar 2023 auch über Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen), Finanzberater und Anleger hereingebrochen. An diesem Tag traten die technischen Regulierungsstandards (RTS) in Kraft, die die EU-Offenlegungsverordnung (nach ihrer englischen Bezeichnung "Sustainable Finance Disclosure Regulation" in der Branche gern mit SFDR abgekürzt) konkretisieren. 

Detaillierte Erklärungen
Seitdem haben Fondsanbieter auf ihren Websites äußerst detailliert darzulegen, ob sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (PAIs) berücksichtigen, und wenn ja, in welcher Art und Weise. Die RTS präzisieren unter anderem Artikel 4 der SFDR, der KVGen dazu verpflichtet, anzugeben, ob sie auf Ebene des Unternehmens die wichtigsten PAIs berücksichtigen. Ist dies der Fall, so verlangt Artikel 4 eine Erklärung dazu, mit welchen Strategien sie dafür Sorge tragen, dass sich ihre Investmententscheidungen nicht negativ auf die aufgeführten Nachhaltigkeitsfaktoren auswirken. 

Ein Blick in die Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 zeigt, wie umfangreich die Erklärungspflichten sind. In Anhang I findet sich eine tabellarische Auflistung der insgesamt 18 wichtigsten PAIs und Dutzender weiterer Indikatoren. Die Liste reicht von den Treibhausgasemissionen über den Anteil gefährlicher Abfälle bis hin zum "Gender Pay Gap" in Unternehmen. Für jeden einzelnen PAI ist eine Messgröße vorgegeben, zu der Angaben gemacht werden müssen. 

Für jeden einzelnen Fonds
Doch damit nicht genug: Die RTS konkretisieren auch Artikel 7 der SFDR. Dieser legt fest, dass KVGen im Verkaufsprospekt für jeden Fonds auszuweisen haben, ob das Produkt die wichtigsten PAIs berücksichtigt. Bei Sondervermögen, die nach Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung eingestuft sind, ist darüber auch im Jahresbericht zu informieren.

Berücksichtigt ein Produkt die wichtigsten PAIs, so fallen alle Angaben, die zu diesem Thema auf Unternehmensebene aufzuführen sind, noch einmal für das einzelne Sondervermögen an. Und auch damit bricht die Flutwelle noch nicht, denn für sämtliche Artikel-8- und Artikel-9-Fonds sind standardisierte ESG-Templates auszufüllen. Diese sind dem Verkaufsprospekt und dem Jahresbericht beizufügen.

Jede Menge Infos in Templates
Die Informationen, die in diesen Templates teils in Textform, teils in vordefinierten Info-Kästen oder auch grafisch illustriert anzugeben sind, finden sich in Anhang II der Delegierten Verordnung – und nehmen schlichtweg kein Ende. Von der Frage, welche nachhaltigen Investitionen das Finanzprodukt anstrebt, über anzugebende Nachhaltigkeitsindikatoren, die zur Messung der Erreichung des ESG-Ziels herangezogen werden, bis hin zum Abschneiden des Produkts im Vergleich zum gewählten Nachhaltigkeitsreferenzwert ist jeder nur vorstellbare Aspekt enthalten.

Und was bringt die große Info-Flut letztendlich dem Privatanleger? "Es ist schon für spezialisierte Rechtsexperten eine echte Herausforderung, durch die vielzähligen geforderten Angaben durchzusteigen und dabei immer auf dem Laufenden zu sein", erklärt Markus Lange, Rechtsanwalt und Partner der Baker Tilly Rechtsanwaltsgesellschaft. "Einem Privatanleger ist es überhaupt nicht möglich, all die Informationen in den Tabellen und Anhängen zu lesen und zu verstehen", sagt er. Es bleibt zu hoffen, dass es genug Berater gibt, denen das gelingt – damit aus dem Info-Wirrwarr am Ende doch noch eine klare Sache wird. (am)


Einen ausführlichen Bericht über die Erklärungspflichten zum Thema ESG, denen Fondsgesellschaften seit dem Inkrafttreten der technischen Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung nachkommen müssen, finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 1/2023 von FONDS professionell ab Seite 322. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.