Warum ETFs nicht alle Bonds eines Index kaufen müssen
Börsengehandelte Fonds holen sich längst nicht immer alle Titel eines Index ins Portfolio. Gerade bei Anleihen ist das auch gar nicht nötig, um die Charakteristik eines Barometers gut abbilden zu können, berichten zwei Branchenkenner. Zudem kaufen ETFs durchaus auch neu ausgegebene Bonds.
Wenn ein börsengehandelter Fonds (ETF) einen Index abbildet, dann hat er längst nicht immer alle Titel eines Vergleichsmaßstabs im Portfolio. So umfasst der MSCI World Index derzeit rund 1.400 Aktien. Nicht alle ETFs, die das Barometer abbilden, kaufen sämtliche der Titel. Umso mehr gilt das für Anleihen-ETFs. Denn für gewöhnlich umfassen Renten-ETFs deutlich mehr Titel als Aktienbarometer.
"Bei Anleihen-Indizes ist das zugrunde liegende Universum häufig sehr, sehr groß", sagt Lukas Ahnert, Produktspezialist bei der DWS-Marke Xtrackers. "Bei einem Index, der Tausende Anleihen umfasst, kann das Portfoliomanagement bei einem passiven ETF nur in den wenigsten Fällen alle Titel erwerben." Die Anbieter greifen in solchen Fällen auf das sogenannte Sampling zurück. Dabei wird eine Auswahl der Titel getroffen, die möglichst genau den Gesamtindex widerspiegelt.
Nicht jeder Bond benötigt
Im Anleihenbereich kommt man bei der Abbildung eines Index mit weniger Titeln aus, als dies im Aktienbereich der Fall ist. "Denn große Bond-Emittenten können mehrere Anleihen mit ähnlichen Laufzeiten ausgegeben haben", erläutert Paul Jung, Produktstratege für Blackrocks ETF-Ableger iShares. "Man braucht nicht jeden einzelnen dieser Bonds im Portfolio zu haben, um die Charakteristik eines Index richtig abbilden zu können."
Das hat Konsequenzen bei der Auflage. "Unsere Anleihen-ETFs starten häufig mit 30 bis 50 Millionen Euro Fondsvolumen, weil so viele Papiere aufgenommen werden müssen, um den Index gut abbilden zu können", berichtet Ahnert. "Bei Aktien-ETFs reichen meist schon fünf bis zehn Millionen Euro, um einen Index abzubilden."
Gar nicht so viel Umbau-Aufwand
Bei der Auswahl der Papiere kann etwa das Emissionsvolumen und die Liquidität einer Anleihe den Ausschlag geben. "Gerade bei jungen ETFs wägt das Portfoliomanagement genau ab, ob sie eine minimal größere Abweichung vom Index zulassen und dafür die Handelskosten geringer halten", sagt Xtrackers-Mann Ahnert. "Es ist nicht das Ziel, um jeden Preis alle Anleihen zu kaufen." Allerdings bemühe sich "natürlich das Portfoliomanagement, dass der ETF mit Blick auf Merkmale wie Laufzeit, Kreditrisiko oder Branchenverteilung den Index möglichst genau widerspiegelt", betont Ahnert.
Ein Team aktiver Manager nahm ETFs auf Hochzinsanleihen ins Visier. Das Team meint, High-Yield-ETFs würden höhere Kosten aufweisen als gedacht. Was genau die Manager kritisieren und was die ETF-Anbieter entgegnen, lesen Sie in Heft 4/2024 von FONDS professionell. Angemeldete Nutzer finden den Artikel auch hier im E-Magazin.
Daneben unterscheiden sich Bond-ETFs in einem weiteren Punkt von ihren Aktien-Pendants. Denn bei Anleihenbarometern wird üblicherweise jeden Monat über die Zusammenstellung des Index entschieden – und nicht nur quartalsweise oder noch seltener wie bei Aktien. "Im Laufe eines Monats achten Anleihen-ETF-Portfoliomanager auf die zukünftigen Indexzusammenstellungen und positionieren sich entsprechend", erläutert iShares-Spezialist Jung. "Somit fällt im Anleihen-ETF beim monatlichen Rebalancing meist gar nicht so viel Umbau-Aufwand an."
Bei Emissionen dabei
Dies ermöglicht es Anleihen-ETFs zudem, auch neu ausgegebene Anleihen zu kaufen. "Wenn feststeht, dass eine neue Anleihe in einen Index aufgenommen wird, kann das passive Portfoliomanagement in gewissem Umfang bereits die Bonds bei der Ausgabe erwerben und die Emissionsprämie vereinnahmen", berichtet DWS-Spezialist Ahnert. "Sie müssen nicht immer bis zum Monatsende warten, bis die Anleihe in den Index aufgenommen wird."
"Auch Portfoliomanager indexbasierter Produkte nehmen an den Primärmarkt-Emissionen von Anleihen teil – sogar sehr aktiv", erläutert Blackrock-Mann Jung. "ETFs vereinnahmen also durchaus Emissionsprämien." (ert)