Matthias Kopp arbeitete für PwC und IBM, bevor er 2005 zum WWF Deutschland kam, um dort den Fachbereich Sustainable Finance aufzubauen. Der Wirtschaftsingenieur vertritt die Naturschutzorganisation unter anderem in der Net Zero Asset Owner Alliance. Seit 2019 sitzt er auch im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung. FONDS professionell ONLINE traf Kopp in der Berliner WWF-Zentrale zum Interview.


Herr Kopp, der WWF Deutschland ist beratend für mehrere Aktienfonds tätig, etwa den RWS-Aktienfonds Nachhaltig, den LF-Green Dividend World von Laiqon und den DWS Concept ESG Blue Economy. Was ist das Ziel dahinter?

Matthias Kopp: Es geht uns nie nur um den einzelnen Fonds, denn das hätte kaum einen Effekt. Unser Ziel ist es, dass sich bei der Investmentgesellschaft insgesamt und letztlich in der Branche systematisch etwas verändert. Unbestritten ist, dass sich die Wirtschaft transformieren muss. Mit den genannten Fonds möchten wir zeigen, wie ein Asset Manager konkret zu dieser Transformation beitragen kann. Solche Projekte, so unsere Hoffnung, können als Blaupause für viele andere Anbieter und deren Fonds dienen. Darum handelt es sich auch nicht um klassisch "dunkelgrüne" Produkte, die nur auf unbedenkliche Unternehmen setzen. In den Fonds liegen auch Aktien von Konzernen, die derzeit noch Probleme bereiten, die sich ändern müssen. Das ist unserer Meinung nach der einzige wirksame Ansatz.

Warum das?

Kopp: Es reicht nicht, nur neue Windräder zu bauen. Die Wirtschaft als Ganzes muss sich wandeln. Es gibt kaum Geschäftsmodelle, die sich nicht transformieren können, etwa die reinen Kohleförderer. Den anderen Branchen muss die Transformation auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Vorgaben gelingen. Wir brauchen zum Beispiel auch in Zukunft Stahl und Beton, nur müssen wir ihn eben anders produzieren als heute. Ein Fondsmanager muss großes Interesse daran haben, dass die Unternehmen in seinem Portfolio zukunftsträchtig aufgestellt sind, darum ist es eigentlich seine Pflicht, sie zu dieser Transformation zu ermutigen. Das ist unserer Meinung nach übrigens auch ein starkes Argument für aktives Asset Management, denn so etwas kann ein passiver Indexfonds nicht leisten.

Die These, dass Fondsanbieter dabei helfen, die Unternehmen in die richtige Richtung zu lenken, hört man aus der Asset-Management-Industrie häufig. Kritiker sehen darin eine Ausrede, nach dem Motto: Ihr legt das Geld eurer Kunden genau so an wie früher, nur nennt ihr es jetzt anders!

Kopp: Um diesem Vorwurf den Wind aus den Segeln zu nehmen, braucht es einen systematisch-strukturellen Ansatz. Die Investoren müssen vom Unternehmen einen konkreten Transformationsplan einfordern: Wie sieht das Ziel aus? Welche Investitionen sind dafür geplant? Das muss mit qualifizierten Kennzahlen unterlegt sein, flankiert durch ein "Fortschritts-Tracking": Unternehmen, die sich nachweislich nicht bewegen, fliegen raus. Auf den ersten Blick sieht ein Portfolio dann vielleicht nicht viel anders aus als früher, die inhaltliche Diskussion und die realwirtschaftliche Wirkung wäre aber eine völlig andere. Meiner Meinung nach könnte der Regulator solche Modelle von jedem Fonds einfordern, der behauptet, nachhaltig zu investieren. Stattdessen verhindert die Regulierung ein solches Vorgehen sogar.

Bitte?

Kopp: Lassen Sie mich etwas ausholen?

Gerne.

Kopp: In der Vergangenheit war der typische Nachhaltigkeitsfonds nicht wirklich wirksam, denn es wurde lediglich mit Ausschlüssen gearbeitet. Übrig blieb ein Korb dunkelgrüner Aktien. Die Botschaft war – überspitzt formuliert: "Dein Geld fließt in Gutes, Friede für Dein schlechtes Gewissen!" Der gesamte Kontext, der Wirkungsbeitrag, die nötige Transformation der Wirtschaft, das alles spielte keine Rolle. Die gesamte ESG-Regulierung hat daran kaum etwas geändert.

Aber die Offenlegungsverordnung verpflichtet die Fondsanbieter doch gerade dazu, zu erläutern, wie sie das Thema nachhaltige Investments angehen. Und Anlageberater sind seit vergangenem August dazu verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu berücksichtigen. Da kann auch die Transformation der Wirtschaft eine Rolle spielen.

Kopp: Ja, aber in der Praxis geht es hauptsächlich um die Mindestquote nachhaltiger Investments nach Taxonomie- und Offenlegungsverordnung und um Schlagworte wie die PAIs, also darum, nachteilige Auswirkungen zu vermeiden. Diskutiert wird sogar, dass ein Fonds nur noch dann "ESG" oder "grün" im Namen tragen darf, wenn gewisse Nachhaltigkeitsquoten erfüllt sind. Die Transformationslogik bleibt da völlig außen vor.

Das stimmt nicht ganz: Ein Fonds gemäß Artikel 9 Offenlegungsverordnung, der ein dezidiertes Nachhaltigkeitsziel verfolgt, kann doch auf die Transformation abstellen, oder?

Kopp: Die meisten Fondsanbieter schrecken davor aber zurück. Ich habe mit Anwälten gesprochen, die meinen, es wäre rechtlich ohne Problem möglich, einem Artikel-9-Fonds eine Transformationslogik zu geben, solange ein wissenschaftlich fundiertes Ziel verfolgt wird. Die Asset Manager orientieren sich aber in der Regel an ihren Mitbewerbern, kaum einer wagt es, mal den Kopf rauszustrecken. So landen wir doch wieder bei den dunkelgrünen Portfolios, am besten mit Nachhaltigkeitssiegel drauf. Um nicht falsch verstanden zu werden: Solche Fonds haben ihre Berechtigung, sie sind mir viel lieber als die herkömmlichen Investmentprodukte. Aber sie helfen nicht wirklich dabei, die Probleme zu lösen.

Ist das nicht auch eine Frage des Vertriebs? Gegen ein dunkelgrünes Portfolio hat wohl kaum ein Kunde etwas einzuwenden. Aktien von Ölkonzernen und Stahlherstellern in einem Nachhaltigkeitsfonds werfen dagegen unangenehme Fragen auf.

Kopp: Wir müssen die Berater natürlich befähigen, das zu erklären. Doch ich bin überzeugt davon, dass das gelingen kann. Es geht ja nicht um eine Marketingidee, die im nächsten Quartal vom nächsten Trend abgelöst wird. Die Menschen sind in ihrem Alltag doch dauernd mit der Transformation konfrontiert: Sie hören davon in den Nachrichten, diskutieren, ob sie noch so viel Fleisch essen dürfen wie früher, überlegen sich, ob sie in eine neue Heizungsanlage investieren sollten. Die Botschaft, diese Themen auch bei der Geldanlage zu berücksichtigen, sie in den Investmentprozess eines Fonds zu übersetzen, ist denke ich nicht so kompliziert zu transportieren. Bislang wird das in der Anlageberatung allerdings noch kaum aufgegriffen. Dabei kann das eine riesige Chance für die Fondsbranche sein – und übrigens auch für die Politik.

Warum für die Politik?

Kopp: Die Bundesregierung hat leider noch überhaupt keine Haltung dazu entwickelt, wie sie sich das Finanzsystem zunutze machen möchte, um die Transformation voranzubringen. Da tut sich eine große Leerstelle auf. Die Politik tut – etwas überspitzt formuliert – so, als ließe sich alles mit staatlichem Geld regeln: Sondervermögen hier, Steueranreiz dort. Stattdessen könnte sie die Finanzbranche viel mehr in die Pflicht nehmen. Selbst wenn der Staat genug Geld hätte, die Transformation alleine zu bezahlen: Privat investiert wird ja trotzdem – das aber heute in den allermeisten Fällen nicht so, dass es mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens konform wäre. Diese Investitionen werden bei anziehender Klimaschutzregulierung in großen Teilen dann entwertet. Es liegt also auch aus Stabilitätsgesichtspunkten auf der Hand, ganz anders aktiv zu handeln. Warum die Regierung keinerlei Strategie hat, hier lenkend einzugreifen, ist mir wirklich ein Rätsel.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)


Ein ausführliches Interview mit Matthias Kopp lesen Sie in Ausgabe 2/2023 von FONDS professionell, die den Abonnenten in den kommenden Tagen zugestellt wird.