Banken und Sparkassen haben nach der Niedrigzinsphase Privatkundinnen und -kunden nicht zum Kauf von Anlage-Zertifikaten gedrängt. Beim verstärkten Absatz von Zins- und Express-Zertifikaten an private Anleger nach 2022 gab es keine systematischen Missstände oder gravierende Mängel. Dies ist das Ergebnis einer Studie, in der die Finanzaufsicht Bafin den Markt für diese Zertifikate untersucht hat. Die Kunden waren in der Regel auch zufrieden mit der Beratung durch Banken und Sparkassen, wie die Behörde mitteilt.

"Es gab keine systematische Fehlberatung bei Anlage-Zertifikaten. Die Institute haben Kunden nach der Zinswende nicht unzulässig zum Kauf solcher Zertifikate gedrängt", sagt Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor der Bafin für Wertpapieraufsicht und Asset Management. "Und es ist nur fair, das ebenso öffentlich festzustellen wie sonst die Fehler, die wir kritisieren." (Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch: "Bankenvertrieb: Der Skandal, der keiner war").

Teuer und komplex
Anlass der Studie, für die von Mai 2024 bis Februar 2025 Produktgeber und Vertriebe sowie darüber hinaus erstmals Käufer der Zertifikate befragt wurden, war der massenhafte Verkauf von sogenannten Zins-Zertifikaten durch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken im Jahr 2023, obwohl Anleihen und Festgeldangebote von Banken höhere Zinsen versprachen. Zertifikate haben im Vergleich zu klassischen Sparprodukten auch regelmäßig höhere Kosten und sind komplexer. Zudem sind sie nicht von der Einlagensicherung gedeckt. Aus diesen Gründen hatte die Aufsicht besonders die Vertriebspraxis der Institute in den Blick genommen. 

Mängel fand die Bafin nach eigenen Angaben jedoch bei der Produkt-Governance der Zins- und Express-Zertifikate. Teilweise sei die Konzeption der Zielmärkte für die Produkte fehlerhaft gewesen. Dabei hatten einige Unternehmen nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet. Zudem gab es Hinweise darauf, dass etwa 20 Prozent der Kundinnen und Kunden die Funktionsweise und Risiken von Express-Zertifikaten nicht vollumfänglich verstanden hatten. Die Bafin wird Institute, bei denen sie Mängel identifiziert hat, schriftlich auffordern, diese abzustellen. Ferner wird sie nach eigenen Angaben entsprechende Prüfungsschwerpunkte in ihrer laufenden Aufsichtstätigkeit festlegen und das Thema vor allem auf der Ebene der Verbände der Kreditwirtschaft ansprechen. 

Studie zu Turbo-Zertifikaten: Hohe Verluste bei stark gestiegenem Marktvolumen 
In einer weiteren Studie hat die Behörde den Markt für Turbo-Zertifikate – Produkte mit einem Hebel und einer Knock-out-Schwelle – für den Zeitraum 2019 bis 2023 untersucht. Die Studie zeigt unter anderem, dass sich das Marktvolumen für Turbo-Zertifikate im Untersuchungszeitraum fast verdreifacht hat. Sie umfasste 113 Millionen Transaktionen von 543.000 deutschen Privatkunden.

Beim Handel mit Turbo-Zertifikaten verloren über einen Zeitraum von fünf Jahren drei von vier Kunden (74,2 Prozent) im Durchschnitt je 6.358 Euro. Insgesamt summierten sich die Verluste der deutschen Privatkunden auf 3,4 Milliarden Euro. "Auch für Privatkundinnen und -kunden mit viel Kapitalmarkterfahrung ist Anlegerschutz wichtig. Die hohen Verluste lassen befürchten, dass die Risiken von Turbo-Zertifikaten vielen nicht bewusst sind. Das schauen wir uns genauer an", kündigt Pötzsch an. (jb)