Diese E-Mail dürfte im Januar so mancher Honorar-Finanzanlagenberater mit Überraschung in seinem Postfach vorgefunden haben. "BGH stärkt Verbraucherschutz: Makler (auch mit zusätzlicher Zulassung als Honorarberater) dürfen sich nicht Honorarberater nennen!", war da zu lesen. Weiter ging es mit der Zeile: "Verurteilt: VDH GmbH Verbund Deutscher Honorarberater, vertreten durch Dieter Rauch".

Der Bundesgerichtshof (BGH), das oberste Zivilgericht der Bundesrepublik Deutschland, soll also ein Urteil in einer Klage gegen einen Dienstleister für Honorarberater erlassen haben? FONDS professionell ONLINE hat die E-Mail mit dem ungewöhnlich anmutenden Inhalt weitergeleitet bekommen und ist der Sache auf den Grund gegangen. 

Der Absender
Der Absender der Nachricht ist der Bundesverband unabhängiger Honorarberater gemeinnütziger e.V. Diesen umstrittenen Verband hat der ehemalige Geschäftsführer der Deutsche Honorarberatung GmbH mit Sitz in Düsseldorf, Christian Hagemann, im Jahr 2016 mitgegründet. Bis 2018 war er Verbandsvorstand. Nach den Angaben auf ihrer Website ist die Deutsche Honorarberatung noch immer Mitglied im Bundesverband. Hagemann, dem bereits mehrfach personelle Verflechtungen mit dem Bundesverband unabhängiger Honorarberater gemeinnütziger e.V. vorgeworfen wurden, war in dem betreffenden Rechtsstreit Kläger.

Die Mail weckt sofort Interesse. Die Rede ist von einem "wegweisenden Urteil des Bundesgerichtshofs". Die Richter hätten die vorausgegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg bestätigt, dass "Makler – selbst, wenn sie zusätzlich als Honorarberater zugelassen sind – sich nicht als Honorarberater bezeichnen dürfen, da dies Verbraucher in die Irre führt". Der BGH hat geurteilt, dass sich Honorarberater nicht Honorarberater nennen dürfen? Klingt verwirrend – und stimmt auch nicht.

Die Dokumente
Beigefügt sind der Mail eine PDF-Datei mit dem Namen "14.01.25 BGH Urteil" und eine weitere mit der Bezeichnung "Gerichtsurteil 2. Instanz Deutsche_Honorarberatung_vs_VDH_Senatsurteil Auszug". Wer sich die beiden Dokumente genauer anschaut, fragt sich schnell, wie der Absender der E-Mail zu seinen Schlüssen kommt.

Zunächst einmal handelt es sich bei dem angeblichen "Urteil" des BGH keineswegs um ein Urteil, sondern um einen Beschluss. Dieser weist lediglich die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Sache zur Revision ab. Darüber hinaus hat der BGH keinerlei Entscheidungen getroffen. Er hat weder das Urteil des OLG Nürnberg bestätigt noch den VDH verurteilt. 

Wegweisendes OLG-Urteil?
Nun mag eine Verwechslung der Begriffe "Urteil" und "Beschluss" bei Nicht-Juristen vorkommen, auch wenn es sich dabei um klar voneinander abgegrenzte Termini handelt. Da ein Beschluss aber nun einmal ein Beschluss ist, kann nicht die Rede von einem "wegweisenden BGH-Urteil" sein. Wegweisend könnte höchstens die Entscheidung des OLG Nürnberg (Az. 3 U 1669/23) sein, die der Mail in gekürzter Form beigefügt ist.

Die Richter des OLG Nürnberg hatten in zweiter Instanz einen Rechtsstreit zwischen der Deutschen Honorarberatung, vertreten durch Christian Hagemann, und dem VDH Verbund Deutscher Honorarberater, vertreten durch Dieter Rauch, zu entscheiden. Zu urteilen hatte das OLG über die Vermittlungspraxis des VDH. Kläger Hagemann hatte vorgebracht, diese sei aus bestimmten Gründen irreführend und deshalb unlauter. 

"Das Urteil des OLG Nürnberg untersagt dem VDH auch bestimmte Vermittlungspraktiken", erklärt Christian Waigel, Partner der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte, der nicht in den Prozess eingebunden war, auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE. "Es sagt aber überhaupt nichts darüber aus, ob sich Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler als Honorarberater bezeichnen dürfen oder nicht", erklärt er. Das sei nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen. 

Was der VDH nicht darf...
"Das Urteil des OLG Nürnberg verbietet dem VDH, Anfragen von Kunden, die auf der Suche nach einem Honorarberater sind, an einen Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) oder einen Versicherungsmakler mit Zulassung nach Paragraf 34d, Abs. 1 GewO weiterzuleiten", erläutert Waigel. Auch untersagt es dem VDH, solche Anfragen an einen Honorar-Finanzanlagenberater mit Erlaubnis nach Paragraf 34h GewO weiterzuleiten, der gleichzeitig eine Erlaubnis als Versicherungsmakler nutzt. Das gilt auch dann, wenn er im Versicherungsbereich ausschließlich auf Honorarbasis arbeitet. 

Umgekehrt darf der VDH die Anfragen nicht an einen Versicherungsberater mit Erlaubnis nach Paragraf 34d, Abs. 2 GewO weiterleiten, wenn dieser zugleich eine Zulassung als Finanzanlagenvermittler nutzt. Auch dann nicht, wenn er ausschließlich gegen Honorar tätig ist. Weiterhin untersagt das Urteil dem VDH, Honorar-Finanzanlagenberatern, die auch über eine Erlaubnis als Versicherungsmakler verfügen, und Versicherungsberatern, die parallel eine Zulassung als Finanzanlagenvermittler haben, die Nutzung des VDH-Logos zu gestatten.

… und was er doch darf
"Das Urteil macht allerdings eine Einschränkung", so Waigel. "Sofern der VDH durch aufklärende Hinweise oder auf anderem Wege die zu befürchtende Irreführung der Verbraucher ausräumt, darf er Anfragen auch an Versicherungsmakler oder Finanzanlagenvermittler weitervermitteln, die ausschließlich auf Honorarbasis arbeiten", sagt der Jurist. Das gilt zumindest dann, wenn es Verbrauchern explizit nicht auf die Erlaubnis des Beraters ankommt.

VDH-Geschäftsführer Dieter Rauch nimmt das OLG-Urteil gelassen. "Es trifft uns überhaupt nicht", sagt er im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE. Der Verbund leite ohnehin keine Verbraucheranfragen an Finanzanlagenvermittler mehr durch, auch wenn sie auf Honorarbasis tätig sind. Seit dem Inkrafttreten des Honoraranlageberatungsgesetzes im August 2014 können sich beim VDH nur noch 34h-Berater neu registrieren lassen. Für 34f-Vermittler ist das lediglich dann möglich, wenn der Betreffende bestätigt, einen Statuswechsel innerhalb von sechs Monaten zu veranlassen.

Geschäftsmodell nicht tangiert
"Bis 2021 haben wir Anfragen auch an Berater durchgeleitet, die gleichzeitig im Besitz einer Erlaubnis als Versicherungsmakler sind, aber nur gegen Honorar tätig werden", so Rauch. "Seitdem machen wir aber auch das nicht mehr, das Urteil hat für unser Geschäftsmodell daher keine Relevanz", sagt er. Und dass die Entscheidung nicht "wegweisend" sei, zeige allein schon die Tatsache, dass der BGH die Sache nicht zur Revision zugelassen hat, weil sie "keine grundsätzliche Bedeutung" hat. Genauso steht es auf der zweiten Seite des Beschlusses.

Interessant ist auch, was auf den Seiten 24 bis 30 des vollständigen OLG-Urteils steht, die sich in dem vom Bundesverband unabhängiger Honorarberater der Mail beigefügten "Auszug" nicht finden. Auf den sieben Seiten legt das Gericht unter anderem detailliert dar, dass und warum sich die Klägerin und Widerbeklagte, die Deutsche Honorarberatung, nicht als "Honorar-Anlageberater" bezeichnen darf. In diesem Punkt sagt das Urteil tatsächlich etwas darüber aus, wer sich wie nennen darf – nur in diesem Punkt. (am)