BGH: Geld nur für Betriebsschließung im zweiten Lockdown
Der Streit von Einzelhändlern, Gastwirten und Hoteliers mit Versicherern wegen der Verluste im ersten Lockdown ab Mitte März 2020 ist vor Gericht für die Betroffenen meist ernüchternd ausgegangen. Nun gab der BGH zumindest für den zweiten Lockdown grünes Licht.
Ein Hotelbetreiber in Hameln wollte seinen Schaden durch Betriebsschließung während des ersten und zweiten Lockdowns im Jahr 2000 von seinem Versicherer aus der Betriebsschließungsversicherung (BSV) ersetzt haben. Der weigerte sich, dem Vernehmen nach die Ergo, und der Streit ums Geld ging durch alle Instanzen.
Ob der Versicherer zahlen muss, hängt von den vereinbarten Versicherungsbedingungen (AVB) ab. In der Variante, um die es jetzt geht, wurde in den "Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)", die von Ergo verwendet werden, nur auf die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten verwiesen. Dort wurde Covid-19 zum 23. Mai 2020 aufgenommen. Das Oberlandesgericht Celle hatte daher am 18. November 2021 entschieden, dass dem Hotel zwar nicht für eine Schließung ab März 2020, aber für eine zweite Schließung ab November 2020 Geld aus der BSV zusteht (Az.: 8 U 123/21).
Kein Geld für Schließung im ersten Lockdown, aber im zweiten Lockdown
Beide Seiten waren danach in Revision gegangen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun mit Urteil vom Mittwoch (18. Januar 2023) salomonisch in einem von Wilhelm Rechtsanwälte betriebenen Verfahren entschieden: Dem Hotel steht wegen der Schließung während des zweiten Lockdowns Geld aus der BSV zu, aber nicht wegen Betriebsschließung im ersten Lockdown (Az.: IV ZR 465/21).
Damit bestätigte der BGH das Urteil des OLG Celle und wies zugleich die Rechtsmittel beider Parteien zurück. Begründung laut einer Mitteilung des Gerichts (externer Link): Für die Zeit der Betriebsschließung ab 2. November 2020 gibt es Geld aus der BSV, weil die Krankheit Covid-19 und der Krankheitserreger Sars-CoV-2 mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 am 23. Mai 2020 im Infektionsschutzgesetz (IfSG) namentlich genannt wurden (Paragraf 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a).
Dagegen gibt es im ersten Lockdown vom 18. März bis 25. Mai 2020 kein Geld aus der BSV, weil es laut BGH "an der laut AVB vorausgesetzten namentlichen Nennung der Krankheit oder des Krankheitserregers in den §§ 6 und 7 IfSG im Zeitpunkt der ersten Betriebsschließung durch die Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 fehlte" (Ziffer 3.4 der BBSG 19).
Die Sache mit dem "durchschnittlichen Versicherungsnehmer"
Der BGH räumte ein, dass es für den Hotelier in der Sache keinen Unterschied macht, ob die auf einer Erweiterung der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger beruhende Schließung seines Betriebs wegen eines formellen Gesetzes oder wegen Rechtsverordnung erfolgt ist. Dennoch bleibt es laut BGH aber eigenverantwortliche Entscheidung des Versicherers, ob auch solche Erweiterungen des Kreises der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger durch Rechtsverordnung vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen.
"Indem die Klausel unmissverständlich die namentliche Benennung der Krankheiten und Krankheitserreger in den Paragrafen 6 und 7 IfSG verlangt, macht sie für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Anliegen erkennbar und nachvollziehbar, den Versicherungsschutz auf die im Gesetz selbst benannten Krankheiten und Krankheitserreger zu begrenzen", so die Begründung der Richter.
Kein Verstoß gegen das Transparenzgebot?
Die genannte Ziffer (3.4 BBSG 19) verstößt nach Ansicht des BGH auch nicht gegen das Transparenzgebot (nach Paragraf 307 Absatz 1 Satz 2 BGB). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne dem eindeutigen Wortlaut entnehmen, dass die versicherten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der AVB abschließend definiert werden.
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei hinreichend erkennbar, dass nach der Ziffer Lücken im Versicherungsschutz bestehen können. "Ihm wird durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des IfSG vom Versicherungsschutz erfasst wird", so das Fazit.
BGH bleibt bei harter Linie für ersten Lockdown
Damit bestätigte das oberste Zivilgericht seine harte Linie, die bereits am 26. Januar 2022 sichtbar wurde. Tenor damals: Nur einzeln aufgelistete Krankheiten, die zu einer behördlich angeordneten Schließung führen können, führten zur BSV-Leistung. Covid-19 war damals noch nicht dabei. Versicherungsnehmer auf Grundlage der konkret vereinbarten Versicherungsbedingungen der Axa (ZBSV 08) bekamen daher kein Geld aus ihrer BSV (Az.: IV ZR 144/21). Das OLG Karlsruhe hatte noch anders entschieden.
Die ergänzende Bezugnahme in den ZBSV 08 auf die "im Infektionsschutzgesetz in den Paragrafen 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger werde der durchschnittliche Versicherungsnehmer lediglich als Klarstellung verstehen, dass sich Axa bei Abfassung des Katalogs inhaltlich am IfSG orientiert hat", meinte der BGH damals.
Mit beiden Entscheidungen folgt der BGH weitgehend der Argumentation der Versicherungsbranche. Die genaue Urteilsbegründung vom 18. Januar 2023 steht noch aus. Damit dürften jedoch die Chancen weiterer Revisionen von BSV-Versicherten vor dem BGH weiter schwinden. Nach Schätzungen sind beim BGH noch über 150 Klagen zur BSV in der Corona-Pandemie anhängig. (dpo)