CSRD: Das nächste ESG-Regulierungsprojekt steht vor der Tür
Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bricht ein neues Zeitalter der Nachhaltigkeitsberichterstattung an. Beatrice Rehm und Fabian Pirzer von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY erläutern, warum das Regelwerk auch für die Asset-Management-Branche relevant ist.
Die Finanzbranche kämpft noch immer mit gigantischen ESG-Regulierungsvorhaben wie der Offenlegungsverordnung oder der EU-Taxonomie, da schiebt Brüssel schon das nächste Projekt auf die Rampe: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die neue Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen setzt. Beatrice Rehm und Fabian Pirzer von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY legen im folgenden Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE dar, was auf die Unternehmen und die Asset-Management-Branche zukommt. (bm)
Bei der CSRD handelt es sich um eine neue EU-weite Vorgabe von Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung innerhalb des Jahresabschlusses. Sie wird die geltende Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD, Richtlinie 2014/95/EU) ersetzen. Die CSRD ist neben der Offenlegungsverordnung (engl. Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)), welche darauf ausgerichtet ist, Nachhaltigkeitsinformationen zu Finanzprodukten inklusive ihrer Nachhaltigkeitsrisiken transparent zu machen, eine zukünftige weitere Regularie der EU-Kommission mit Fokus auf Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit soll mit Hilfe der CSRD in der Unternehmensberichterstattung noch stärker verankert und finanziellen Themen schrittweise gleichgestellt werden. Die im Weiteren ausgeführten Veränderungen in Bezug auf Anwendungsbereich und Umfang der Nachhaltigkeitsberichterstattung sorgen auch für eine verbesserte Verfügbarkeit von Daten, die für die Ermittlung der nach der Offenlegungsverordnung geforderten Informationen erforderlich sind.
Ausweitung des Anwenderkreises
Am 21. Juni 2022 haben der Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung über die CSRD-Richtlinie erzielt. Nach deren Billigung durch die Gremien muss die Richtlinie dann bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt werden, damit sie für die Unternehmen wirksam wird. Die Regelungen sollen nach dem bisherigen Zeitplan des Kommissionsentwurfs erstmals für die Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2024 gelten. Dies gilt grundsätzlich zunächst für alle Unternehmen, welche bereits nach der NFRD berichtspflichtig sind. Ein Jahr später beginnt dann der erstmalige Anwendungszeitraum für jene Unternehmen, die bisher noch nicht unter die NFRD, aber dann unter die CSRD fallen.
Im Vergleich zur NFRD werden zudem im Rahmen der CSRD viel mehr Unternehmen unter die Anwendungspflicht einer Nachhaltigkeitsberichterstattung fallen. Denn mit der Anwendung der CSRD werden die Schwellenwerte, welche überschritten werden müssen, deutlich gesenkt. Künftig sind alle Unternehmen in der EU von der CSRD betroffen, welche mindestens zwei der drei folgenden Merkmale erfüllen:
- mehr als 250 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt
- und/oder mehr als 40 Millionen Euro Umsatz
- und/oder mehr als 20 Millionen Euro Gesamtvermögen
Ab 2026 sind zudem alle börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) betroffen.
Im Falle eines Konzernverbundes innerhalb der EU kann auf Basis des aktuellen Gesetzesentwurf der CSRD geschlussfolgert werden, dass es grundsätzlich ausreichend ist, wenn das Mutterunternehmen einen Gesamt-Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht und dabei ihre Tochterunternehmen und Niederlassungen mit einbezieht. Die Tochtergesellschaften wiederum verweisen dann in ihrem Lagebericht auf die Berichtserstattung der Konzernmutter. Dies gilt allerdings nicht, falls die Tochtergesellschaft selbst börsennotiert ist oder wesentliche Unterschiede bei den Risiken bestehen, welchen das Tochterunternehmen im Vergleich zu ihrem Mutterkonzern ausgesetzt ist. In diesen Fällen ist die Tochtergesellschaft selbst berichtspflichtig.
Eine weitere Besonderheit stellen Mutterunternehmen mit Sitz im EU-Ausland dar, welche in der EU mehr als 150 Millionen Euro Nettoumsatz im Berichtsjahr erzielt haben. In diesem Fall kann geschlussfolgert werden, dass die Berichtspflicht für jede EU-Tochtergesellschaft oder -Niederlassung besteht, die im Berichtsjahr mehr als 40 Millionen Euro Nettoumsatz erzielt hat, es sei denn, das ESG-Berichtssystem des Drittlandes, in dem das Mutterunternehmen ansässig ist, wird als gleichwertig mit dem EU-System angesehen.
Ausweitung der Berichterstattungspflicht
Neben der Ausweitung des Anwenderkreises der CSRD im Gegensatz zur NFRD nimmt auch der Umfang der verpflichtenden Berichterstattung im Rahmen der CSRD zu. Zum einen sind grundsätzlich durch die sogenannte "Doppelte Wesentlichkeitsperspektive" deutlich mehr Informationen berichtspflichtig: Mit der CSRD sind sowohl Informationen zu berücksichtigen, die für das Verständnis von Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte auf das Geschäftsergebnis, die Geschäftslage und den Geschäftsverlauf notwendig sind ("Outside-In-Perspektive"), als auch Informationen, die notwendig sind für das Verständnis der Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte auf Mensch, Umwelt und Unternehmensführung ("Inside-Out-Perspektive").
Bei der Berichterstattung gemäß CSRD treten die dann verpflichtend anzuwendenden Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) an die Stelle der bisher freiwillig anwendbaren Standards der Global Reporting Initiative (GRI). Das Ziel der ESRS liegt darin, den berichtspflichtigen Unternehmen ein Rahmenwerk zu liefern, das die Berichterstattung der geforderten Nachhaltigkeitsinformationen gemäß der CSRD ermöglicht und dabei gleichzeitig eine Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit in der Anwendung gewährleistet. Im Vergleich zu den GRI-Standards sind für die ESRS ein gestiegener Aufwand bei Umfang und Detailtiefe der Berichterstattung zu erwarten.
So sind im Rahmen der ESRS zeitbezogene Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte anzugeben, einschließlich absoluter Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen mindestens bis 2030 und 2050, eine Beschreibung der Fortschritte, die das Unternehmen bei der Erreichung dieser Ziele erzielt hat, und eine Angabe, ob die Ziele des Unternehmens in Bezug auf Umweltbelange auf stichhaltigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Bei der Beschreibung der Rolle der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte ist nun auch auf deren Fachkenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung dieser Aufgabe oder den Zugang zu solchen Fachkenntnissen und Fähigkeiten einzugehen. Darüber hinaus sind – sofern vorhanden – Angaben zu den nachhaltigkeitsbezogenen Anreizsystemen für Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane zu machen.
Neben dem Geschäftsmodell wird nun ein stärkerer Fokus auf die Strategie gelegt. Es sind nun auch die Umsetzungsmaßnahmen und die damit in Zusammenhang stehenden Finanz- und Investitionspläne darzustellen, besonders im Hinblick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 und, wo relevant, Unternehmensrisiken hinsichtlich Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kohle, Öl und Gas.
Nichtfinanzielle Berichterstattung tritt gleichberechtigt neben die Finanzkennzahlen
Dabei sind qualitative Aussagen zur Strategie und quantitative Angaben mittels sogenannter Key Performance Indicators (KPIs) zu treffen. Derzeit sind über 200 solcher KPIs und 140 korrespondierende Ziele in den ESRS definiert. Diese KPIs umfassen nicht nur Klimafragen, sondern auch Themen wie Wasser, Verschmutzung, Biodiversität und Kreislaufwirtschaft. Darüber hinaus werden soziale Aspekte und Arbeitsschutz thematisiert und die Rolle von Governance, Risk und Compliance deutlich aufgewertet. Die EU verfolgt hierbei ein klares Ziel: Neben der etablierten finanziellen Berichterstattung soll gleichberechtigt die nichtfinanzielle Berichterstattung treten.
Schließlich soll die Berichterstattung in einem maschinenlesbaren Format erfolgen. Im Rahmen des "Single Electronic Reporting Format" wird zukünftig ein Tagging der Nachhaltigkeitsinformationen verpflichtend sein. Dabei soll die Kompatibilität mit dem von der EU noch zu entwickelndem "European Single Access Point" hergestellt werden, einem zentralen Register für digital aufbereitete Berichte.
Einführung der Prüfungspflicht
Ein weiteres Novum der CSRD ist die Einführung der Prüfungspflicht. Der Nachhaltigkeitsbericht ist als "Sustainability Statement" fortan zusammen mit dem Jahresabschluss als Teil des Lageberichts bis spätestens vier Monate nach Geschäftsjahresende zu veröffentlichen.
Unternehmen benötigen ein Prüfungsurteil mit begrenzter Sicherheit ("limited assurance") über die Übereinstimmung ihrer CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung mit den EU-Anforderungen. Zu einem späteren Zeitpunkt soll dann auf ein Prüfungsurteil mit hinreichender Sicherheit ("reasonable assurance") übergegangen werden.
Fazit für die Asset-Management-Industrie
Die Anforderungen nehmen durch die CSRD im Vergleich zur NFRD enorm zu. Prüfen Sie als Asset Manager, ob Sie davon betroffen sind. Das heißt: Analysieren Sie zunächst Ihre rechtliche Betroffenheit durch die CSRD auf Konzern- und Einzelgesellschaftsebene und bestimmen Sie Ihre ESG-Berichtsstrategie. Dies ist alles andere als trivial und kann sich als sehr umfangreich gestalten.
Zur Erfüllung der Berichterstattungspflichten sind im ersten Schritt eine Risikoinventur und -gewichtung sowie eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Anschließend geht es um die Ermittlung der KPIs: Beachten Sie dabei die Komplexität der Datenerhebung, -verarbeitung und -speicherung sowie die Herausforderungen im Rahmen der Errechnung der Kennzahlen sowie die Verfügbarkeit der dazu zu Grunde zu legenden Daten. Auch die Erstellung der Berichtstexte schließlich wird einen nicht unerheblichen Aufwand verursachen.
Beatrice Rehm ist Partnerin bei EY in Frankfurt im Bereich Financial Services mit dem Fokus auf Beratung und Prüfungen im Bereich der Nachhaltigkeit. Fabian Pirzer ist Manager im Bereich Wealth & Asset Management bei EY in München. Sein Fokus liegt auf der Prüfung und Beratung der Fonds- und Asset-Management-Industrie.