Dauerzoff um Sparverträge: Kündigung war unzulässig, urteilt Gericht
Der Streit zwischen Sparkassen und Kunden um das Thema Prämiensparverträge schwelt schon eine Weile. Nun zeigt ein Urteil: Sieht der Vertrag explizit eine Zahlung der höchsten Prämie bis zum Laufzeitende vor, darf der Vertrag nicht gekündigt werden – auch nicht bei einer Laufzeit von 99 Jahren!
Dieses Urteil trifft die Sparkassen hart, der Kläger – und mit ihm Inhaber ähnlicher Sparverträge – können sich hingegen die Hände reiben: Das Landgericht Stendal hat am 14. November 2019 in einem Verfahren gegen die Kreissparkasse Stendal in zweiter Instanz entschieden, dass der Prämiensparvertrag des klagenden Sparers trotz bereits erfolgter Kündigung weiterhin besteht (Az. 22 S 104/18). Dies teilt die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt mit, die das Verfahren auf Seiten des Klägers unterstützt hatte. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) haben die Richter nicht zugelassen.
Die Sparkasse hatte den Vertrag bereits Anfang Dezember 2016 gekündigt und folgte damit dem Beispiel zahlreicher anderer Sparkassen, denn die meist auf Jahrzehnte festgeschriebenen Zinsen und die zusätzlichen Prämien sind für Institute angesichts der Null- und Negativzinsen sehr belastend. Bei Prämiensparverträgen erhalten Kunden außer dem Zins auf das Sparguthaben eine Prämie auf die jährlich eingezahlte Summe. Die Prämie steigt während der Vertragslaufzeit.
1.188 Monate Laufzeit
Im aktuellen Fall hatte die Kreissparkasse Stendal in das Vertragsformular eine Laufzeit von 1.188 Monaten – 99 Jahre – eingetragen, als der Sparvertrag vom Vater auf den Kläger umgeschrieben wurde. Zudem wurden die 1.188 Monate in einer 99-jährigen Prämienstaffel als Anlage zum Sparvertrag ausgewiesen. Darin war explizit festgelegt worden, dass die höchste Prämie ab dem 15. und bis zum 99. Sparjahr gezahlt werden sollte.
Das Landgericht hatte schon in der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober dieses Jahres die Rechtsauffassung geäußert, dass diese vereinbarte Laufzeit und die Prämienstaffel von der Sparkasse einzuhalten ist und sie den Vertrag daher nicht vorher ordentlich kündigen darf. Dabei stützte sich das Landgericht auf die Rechtsprechung des BGH vom 14. Mai 2019 (Az. XI ZR 345/18).
Nicht vor Zahlung der höchsten Prämie
Der BGH hatte an diesem Tag entschieden, dass Sparkassen langfristige Sparverträge unter bestimmten Umständen erst kündigen dürfen, wenn die vertraglich versprochenen Prämien gezahlt worden sind. Der zu entscheidende Fall betraf wie der aktuelle einen Prämiensparvertrag der Kreissparkasse Stendal. Dort war eine 15-jährige Prämienstaffel vorgesehen, nach der die höchste Prämie nach dem 15. Sparjahr "erstmalig erreicht" werden sollte. Für die Folgejahre war sie im Vertrag aber nicht ausdrücklich aufgeführt. Nach Meinung des BGH können sich Sparer bei einer solchen Vertragsgestaltung nicht gegen eine Kündigung nach Ablauf des 15. Sparjahres wehren.
Anders sieht es mit Verträgen aus, die explizit zusichern, dass die höchste Prämie ab dem 15. Sparjahr bis hin zum 20. oder 25. Jahr gezahlt wird – oder sogar bis zum 99. Die
Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt hatte diese Rechtsauffassung vertreten und sieht sich durch das Urteil des Landgerichts Stendal nun bestätigt. Für betroffene Sparer stellt sie auf ihrer Internetseite Musterbriefe bereit. (am)