Nachdem die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags über ein Vierteljahr zurückliegt, hat FONDS professionell die finanzpolitischen Sprecher fast aller im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin besucht. Sie haben zu wichtigen Fragen der Finanzpolitik, zu aufsichtsrechtlichen Themen sowie zur Reform der privaten Altersvorsorge Stellung genommen. Heute bezieht Christian Görke (Die Linke) Position.


Herr Görke, vor der Bundestagswahl hatten Teile der Finanzbranche die Einführung eines Provisionsverbots befürchtet. Ein solches Verbot findet sich jedoch nicht im Koalitionsvertrag. Sehen Sie das positiv oder werden Sie sich weiterhin dafür stark machen, die provisionsbasierte Finanz- und Versicherungsberatung abzuschaffen?

Christian Görke: Ich werde mich weiterhin für eine Abschaffung der provisionsbasierten Finanz- und Versicherungsberatung stark machen. Ich sehe auch die Rückschläge auf Ebene der Europäischen Union mit Bedauern. Durch die Provisionen haben Berater die Möglichkeit und einen Anreiz ihren Kunden überteuerte Produkte zu verkaufen.

Die Finanzaufsicht Bafin soll mehr Kontrollbefugnisse bekommen. Ist das Ihrer Ansicht nach richtig so?

Görke: Es ist grundsätzlich richtig, dass die Bafin mehr Kontrollbefugnisse bekommt. Noch wichtiger wäre es allerdings, die Anreizstrukturen bei der Vermittlung von Finanzdienstleistungen zu verändern – wie es eben durch eine Abschaffung der provisionsbasierten Finanz- und Versicherungsberatung der Fall wäre.

In der vorletzten Legislaturperiode verfolgte die SPD den Plan, Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) und Honorar-Finanzanlagenberater mit Zulassung nach Paragraf 34h GewO unter die Aufsicht der Bafin zu stellen. Das Vorhaben scheiterte schließlich am Widerstand aus den Reihen der CDU/CSU. Sollte darüber nun wieder diskutiert werden?

Görke: Es sollte weiter darüber diskutiert werden. Aber mit Blick auf die CDU/CSU in Regierungsverantwortung und Friedrich Merz als Kanzler halte ich eine Umsetzung dieses Vorhabens für unwahrscheinlich.

Im Koalitionsvertrag ist zu lesen, die bisherige Riester-Rente solle in ein neues Vorsorgeprodukt überführt, von bürokratischen Hemmnissen befreit und grundlegend reformiert werden. Das erinnert an das von der FDP konzipierte "Altersvorsorgedepot". Wie stehen Sie zu den aktuellen Plänen?

Görke: Wir als Linke halten diese Pläne nicht für zielführend und sind stattdessen für eine Stärkung der umlagefinanzierten, gesetzlichen Rente. Selbst wenn die neuen Produkte nicht mehr ganz so schlecht wären wie die alten Riester-Verträge, die für den Staat teuer und für die Kunden weitestgehend Geldverschwendung sind, ist das Altersvorsorgedepot nur eine Scheinlösung für die demografische Entwicklung. Den Bürgern wird gesagt, dass man ihnen keine höheren Rentenbeiträge zumuten könne – um sie dann zur privaten Vorsorge anzuhalten. Dadurch haben sie am Ende doch auch nicht mehr Geld in der Tasche. Wir als Linke lehnen den Umweg über den Kapitalmarkt, auf dem viele Mittelsmänner Geld aus dem System ziehen, ab und wollen stattdessen eine Einbeziehung von Beamten, Selbständigen und Politikern in die gesetzliche Rente sowie eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.

Die Bundesregierung plant zudem eine sogenannte "Frühstart-Rente". Ist das nach Ihrer Auffassung ein guter Weg, um die private Altersvorsorge zu stärken?

Görke: Nein, das ist teuer und schlecht angelegtes Geld.

Der frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner und die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hatten sich sehr für eine bessere Finanzbildung eingesetzt und dafür eine eigene Initiative ins Leben gerufen. Sollte diese weiter vorangetrieben werden?

Görke: Nein, bei dieser Initiative ging es darum, Jugendliche schon an den Aktienmarkt heranzuführen. Aus Sicht der Linken sollte die gesetzliche Rente so auskömmlich sein, sodass die Menschen nicht auf eine private Altersvorsorge angewiesen sind. Von einer grundsätzlichen Kritik an Finanzmärkten ganz abgesehen.

Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass der Finanzplatz Deutschland gestärkt werden soll. Ist das aus Ihrer Sicht ein wünschenswertes Ziel? 

Görke: Nein, denn unter dem Stichwort geht es nur um die internationale Wettbewerbsfähigkeit. "Der Finanzplatz D" sollte sich auf das Verwalten von Spareinlagen und die Finanzierung von Investitionen konzentrieren.

Der Koalitionsvertrag sieht auch vor, eine einheitliche europäische Finanzmarktregulierung voranzutreiben. Was halten Sie von diesem Plan?

Görke: Eine einheitliche Regulierung ist grundsätzlich sinnvoll – wenn das keine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und damit eine faktische Deregulierung bedeutet. Hier ist es noch zu früh für ein abschließendes Urteil.

Um die europäische Finanztransaktionssteuer war es auf deutscher Seite zuletzt still geworden. Nun möchte die Regierung das Projekt unterstützen. Wie beurteilen Sie eine europäische Finanztransaktionssteuer?

Görke: Wir beurteilen eine europäische Finanztransaktionssteuer positiv. Allerdings muss man dazu sagen, dass SPD und CDU/CSU schon länger eine europäische Finanztransaktionssteuer befürworten – mit wenig erkennbarem Einsatz in Regierungsverantwortung. Gerade bei der CDU/CSU scheint das Kalkül eher zu sein, eine deutsche Finanztransaktionssteuer ablehnen zu können mit dem Hinweis auf die geforderte europäische Finanztransaktionssteuer, wissend, dass letztere unrealistisch ist.

Über eine Abschaffung der Abgeltungsteuer ist im Koalitionsvertrag nichts zu lesen. Wäre diese wünschenswert?

Görke: Selbstverständlich! Es ist nicht nachzuvollziehen, dass auf leistungslose Kapitaleinkommen nur 25 Prozent Steuern erhoben werden und auf Arbeitseinkommen in der Spitze 47,48 Prozent.

Und zum Schluss: Welche Projekte verfolgen Sie in dieser Legislaturperiode?

Görke: Ich setze mich für eine Wiedererhebung der Vermögensteuer, für eine Reparatur der Erbschaftsteuer und für die Einführung einer Übergewinnsteuer ein.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)


Zu allen Fragen haben auch bereits Stellung genommen:
Michael Schrodi, SPD
Fritz Güntzler, CDU


Einen Bericht über die Standpunkte der Finanzexperten fast aller im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen Fragen der Finanz- und Steuerpolitik, zu aufsichtsrechtlichen Themen und zur Altersvorsorge finden Sie in der aktuellen Ausgabe 3/2025 von FONDS professionell, die Ende September erscheint.