Die Europäische Union möchte den Kontinent zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen – und nimmt dafür den Finanzsektor in die Pflicht. Deshalb hat die EU-Kommission zahlreiche ambitionierte Regulierungsprojekte angeschoben. Einige davon treffen Anlageberater und Finanzvertriebe direkt, andere eher über Umwege. FONDS professionell ONLINE stellt in einer fünfteiligen Serie die wichtigsten Vorhaben vor. Heute geht es um die Pflicht, in der Anlageberatung die "Nachhaltigkeitspräferenzen" der Kunden abzufragen.


Voraussichtlich ab Ende 2021 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Anlageberatung die "Nachhaltigkeitspräferenzen" ihrer Kunden abfragen, so sieht es eine geplante Änderung der Mifid-II-Vorgaben vor. "Der genaue Zeitpunkt ist noch offen, weil die EU-Kommission bislang noch nicht ihren finalen Entwurf vorgelegt hat", erläutert Magdalena Kuper, Abteilungsdirektorin Recht beim Fondsverband BVI. Sobald dieses Dokument veröffentlicht ist, müssen noch das EU-Parlament und der EU-Rat zustimmen, dann erfolgt die Veröffentlichung im Amtsblatt. "Ab diesem Zeitpunkt bleiben der Branche aller Voraussicht nach zwölf Monate, bis die Regeln anzuwenden sind."

Viel Zeit ist das nicht, schließlich müssen die Beratungsprozesse und die nötige IT an die neuen Vorgaben angepasst und die Mitarbeiter geschult werden. Deshalb arbeiten die Verbände der Banken (Deutsche Kreditwirtschaft), Fondsanbieter (BVI) und Derivateemittenten (DDV) schon daran, wie eine Umsetzung in der Praxis aussehen könnte.

Neues Datenfeld in der Zielmarktdefinition
Das Grundkonzept der Verbände sieht vor, in der Zielmarktdefinition für Finanzinstrumente ein neues Datenfeld "N" einzuführen. Die Anbieter können Fonds oder Zertifikate, die gewisse Mindestausschlüsse vorsehen und eine dezidierte ESG-Strategie verfolgen, dort als nachhaltig kennzeichnen. Bejaht ein Anleger die Frage seines Beraters, ob er Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wissen möchte, kann so ein automatischer Abgleich mit passenden Produkten stattfinden.

Wie die Abfrage genau zu erfolgen hat, ist noch offen. Vielleicht reicht eine schlichte Zusatzfrage in der Kundenexploration, die mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann, vielleicht muss der Berater gemeinsam mit dem Kunden aber auch erörtern, welche nachhaltigen Anlagestrategien es gibt und worauf er besonderen Wert legen möchte. "Die EU-Wertpapieraufsicht ESMA wird ihre Leitlinien zur Geeignetheitsprüfung und zum Zielmarkt noch überarbeiten", erwartet Kuper. "Auf dieser Grundlage rechnen wir mit Anpassungen der Verwaltungspraxis der Bafin."


Wie Berater den Trend zur nachhaltigen Geldanlage nutzen, beleuchtet FONDS professionell in einem 37 Seiten starken Spezial in Ausgabe 2/2020, die Abonnenten in wenigen Tagen zugestellt wird.


Keine Pflicht zur Empfehlung nachhaltiger Anlageprodukte
Klar ist bereits, dass allein die Frage an Kunden, ob sie nachhaltig investieren möchten, den Absatz entsprechender Produkte ankurbeln dürfte – schließlich wird vielen Anlegern damit eine Option aufgezeigt, von der sie bislang noch gar nichts wussten. Genau das ist auch das Ziel der EU-Kommission.

Die ESMA hat allerdings schon angedeutet, dass einem an Nachhaltigkeit interessierten Kunden nicht zwingend ein ESG-Produkt empfohlen werden muss – nämlich dann, wenn der Berater nach Analyse aller Angaben ein anderes Produkt als besser geeignet erachtet. Dies muss in der Geeignetheitserklärung allerdings begründet werden. Die Vorgabe, die Nachhaltigkeitspräferenz abzufragen, soll übrigens nur für die Anlageberatung gelten, nicht aber im beratungsfreien Geschäft. (bm)



Die Beiträge der ESG-Regulierungsserie von FONDS professionell ONLINE: