Die Europäische Union möchte den Kontinent zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen – und nimmt dafür den Finanzsektor in die Pflicht. Deshalb hat die EU-Kommission zahlreiche ambitionierte Regulierungsprojekte angeschoben. Einige davon treffen Anlageberater und Finanzvertriebe direkt, andere eher über Umwege. FONDS professionell ONLINE stellt in einer fünfteiligen Serie die wichtigsten Vorhaben vor. Heute geht es um die Taxonomie, mit der sich die EU an einer Definition versucht, welche Wirtschaftsaktivitäten als grün einzustufen sind.


Ende vergangenen Jahres einigten sich die EU-Staaten auf politischer Ebene über die grundlegende Ausgestaltung der Taxonomie, einem Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften. Der Geschäftszweig eines Unternehmens gilt als "grün", wenn er zu einem von insgesamt sechs ökologischen Zielen beiträgt:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeres­ressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz gesunder Ökosysteme

Als nachhaltig gilt eine Investition, die einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der genannten Ziele leistet, ohne ein anderes Umweltziele erheblich zu beeinträchtigen.

Abschlussbericht zu zwei von sechs Zielen veröffentlicht
Die Technical Expert Group (TEG) der EU-Kommission veröffentlichte Anfang März ihren Abschlussbericht zu den ersten beiden Umweltzielen, also dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel. "Allein das sind schon über 600 Seiten Papier", sagt Magdalena Kuper, Abteilungsdirektorin Recht beim Fondsverband BVI. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Empfehlung – die delegierten Rechtsakte, mit denen die EU-Kommission die TEG-Kriterien in verbindliche Regeln gießt, stehen noch aus.

Die technischen Kriterien zu den weiteren vier Umweltzielen sollen bis Ende 2022 folgen. Im kommenden Jahr wird sich die EU-Kommission auch dazu äußern, wie eine "soziale" Taxonomie aussehen könnte, damit nicht nur das "E", sondern auch das "S" aus ESG abgedeckt ist. Eine "G"-Taxonomie ist übrigens nicht vorgesehen. "Die EU-Regeln setzen vielmehr voraus, dass Fonds, die ökologische oder soziale Themen fördern, in Unternehmen mit guter Corporate Governance investieren", so Kuper.


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Fonds müssen sich nicht nach der Taxonomie richten, sie können auch andere ESG-Ansätze verfolgen. Allerdings müssen sie, sofern sie als nachhaltig vermarktet werden, ab Januar 2022 berichten, wie groß der Anteil taxonomiekonformer Investitionen in ihrem Portfolio ist.
Das wird aber kaum zu stemmen sein. "Denn dafür benötigen die Fonds entsprechende Daten der Unternehmen – und diese sind erstmals für das Berichtsjahr 2022 verpflichtet, solche Zahlen zu veröffentlichen", sagt Kuper. Die Daten würden also frühestens Anfang 2023 vorliegen. "Außerdem gilt die Pflicht zur Veröffentlichung nur für die etwa 7.000 börsennotierten Unternehmen aus der EU. Woher die Daten für die anderen der insgesamt rund 50.000 Unternehmen weltweit kommen sollen, ist völlig offen." (bm)



Die Beiträge der ESG-Regulierungsserie von FONDS professionell ONLINE: