Der am 24. Mai veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission zur Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) hat wegen des partiellen Provisionsverbots hohe Wellen geschlagen. Dabei gingen andere Punkte unter. Nun verweisen Rechtsanwälte der Kanzlei Dorda auf Unzulänglichkeiten, die sie bei den Themen ESG und Sustainable Finance sehen: Diese Sujets würden im Zentrum der RIS stehen; "irritierend" sei jedoch der enge Rahmen für die ESG-Angaben im Basisinformationsblatt (PRIIPs-KID).

Im PRIIPs-KID sollen unter der Überschrift "Wie ökologisch nachhaltig ist dieses Produkt?" künftig zwei Kennzahlen stehen: das Mindestinvestment in taxonomiefähige Aktivitäten sowie die mit dem Produkt verbundenen Treibhausgas-Emissionen. Da diese Informationen bereits Teil der Offenlegungsverordnung sind, sollten sie bei den Marktteilnehmern vorhanden sein. Problematisch ist nach Ansicht der Anwälte aber, dass es nur um die ökologische Nachhaltigkeit geht, denn eine Taxonomie gibt es vorerst nur für die Umwelt. Die soziale Nachhaltigkeit bleibe "wieder einmal unberücksichtigt", schreiben die Anwälte Andreas Zahradnik und Christian Richter-Schöller in einer Aussendung.

Artikel-9-Fonds gehen unter
Verwirrend ist die Einschränkung aus Sicht der beiden Experten auch deshalb, weil die Offenlegungs-VO selbst die Förderung sozialer Ziele sehr wohl als nachhaltig anerkennt. Das könnte zu Komplikationen führen. Etwa dazu, dass viele Produkte, die nach der Offenlegungs-VO nachhaltige Investitionen anstreben ("Artikel 9-Fonds"), im ESG-Teil des PRIIPs-KID ihre nachhaltigen Vorzüge nicht demonstrieren können – außer sie wären spezifisch fokussiert auf taxonomiefähige Investments, was aber die wenigsten sind.

So hätte etwa ein Investmentfonds mit dem – in der Offenlegungs-VO verankerten – sozialen Ziel der Förderung benachteiligter Bevölkerungsgruppen null Prozent taxonomiefähige Mindestinvestments, solange es noch keine "Sozial-Taxonomie" gibt. Und Investmentfonds, die zwar ein Umweltziel im Sinne der Offenlegungs-VO verfolgen, allerdings die strengen Vorgaben der delegierten Verordnungen zur Taxonomie-VO nicht einhalten, können ebenfalls keine taxonomiefähigen Investments geltend machen. "Wie ein 'dunkelgrüner' Artikel-9-Fonds null Prozent Mindestinvestments in taxonomiefähige Tätigkeiten haben kann, wird vielen, die noch nie mit dieser Materie zu tun hatten, unerklärlich bleiben", so die Anwälte.

Häufiger Fall
Beim letzten Beispiel handelt es sich nicht um ein Randphänomen, sondern um einen sehr häufigen Fall, wie Zahradnik und Richter-Schöller betonen. Nachdem es erst verhältnismäßig wenige taugliche taxonomiefähige Assets gibt, weichen Emittenten – erlaubterweise – auf nicht-taxonomiefähige, aber trotzdem nachhaltige Assets aus. Diese Praxis sollte auch im Basisinformationsblatt Niederschlag finden, so die Experten. Die momentan geplante Darstellung sei "nicht selbsterklärend und sogar irreführend" und würde daher dem Ziel der RIS zuwiderlaufen, die eine umfassende Entscheidungsgrundlage für Anleger anstrebt, schreiben Zahradnik und Richter-Schöller. (eml)