Gerichtsurteil macht's möglich: Das unerwartete Comeback der AT1-Bonds
Ein spektakuläres Gerichtsurteil lässt die abgeschriebenen AT1-Anleihen der Credit Suisse wieder aufleben. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen wittern Investoren neue Chancen – und zahlen plötzlich wieder hohe Preise für längst verloren geglaubte Papiere.
Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hat den Beschluss der Finanzmarktaufsicht (Finma) vom 19. März 2023 aufgehoben, der die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen der Credit Suisse ermöglichte. Die Richter kamen laut Medienberichten zum Schluss, dass "die Voraussetzungen für eine Abschreibung nicht vorlagen, weil zum Zeitpunkt der Abschreibung der vertragliche Viability Event nicht eingetreten war".
Damit, so das Gericht, habe die rechtliche Grundlage für die Kraftloserklärung der Anleihen gefehlt – ein juristischer Paukenschlag, der die Finanzwelt aufhorchen lässt.
Verlorene Papiere leben wieder auf
Mit der Kraftloserklärung galten die Anleihen zwar offiziell als abgeschrieben, verschwunden sind sie aber nie ganz. Sie werden zwar nicht mehr an Börsen gehandelt, zirkulieren jedoch weiterhin unter spekulativen Investoren. Diese setzen darauf, im Zuge möglicher Schadenersatzzahlungen doch noch Geld zu sehen.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur "Bloomberg" sind Händler derzeit bereit, die Papiere für etwa 30 Rappen pro Franken zu kaufen – vor der Urteilsverkündung lag der Preis bei rund zwölf Rappen, also weniger als der Hälfte.
Volumen von 16,5 Milliarden Franken
Banken können AT1-Anleihen ("Additional Tier 1") zur Stärkung ihres Eigenkapitals nutzen. Sie gelten als besonders riskant, da sie im sogenannten Viability Event – also bei drohender Insolvenz oder Rettung – vollständig abgeschrieben werden können. Im Gegenzug erhalten Anleger eine vergleichsweise hohe Verzinsung.
Die Credit Suisse hatte zum Zeitpunkt ihrer Notfusion mit der UBS AT1-Anleihen im Volumen von 16,5 Milliarden Franken ausstehen. In den letzten Tagen vor dem Zusammenbruch verloren die Papiere rapide an Wert – von rund 70 Prozent des Nennwerts auf zuletzt nur noch drei Prozent.
Unterschiedliche Chancen für Anleger
Interessant ist laut "N-TV.de", dass die Papiere von Anlegern, die formell Beschwerde gegen die Abschreibung eingelegt haben, offenbar einen höheren Marktwert aufweisen als jene, bei denen keine rechtlichen Schritte unternommen wurden.
Ob es jedoch tatsächlich zu Entschädigungen kommt – und in welcher Höhe –, ist noch völlig offen. Das aktuelle Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Bundesgericht muss sich erst mit dem Fall befassen, bevor das Bundesverwaltungsgericht über die Rückabwicklung der Milliardenabschreibung entscheiden kann.
Wer soll zahlen – Bund oder UBS?
Offen bleibt zudem, wer mögliche Entschädigungen finanzieren müsste. Laut dem Bericht stehen zwei Szenarien im Raum: Entweder springt der Bund ein, der im Zuge der Notfusion regulierend eingegriffen hatte, oder die UBS, die die Credit Suisse übernommen hat.
Beide Optionen wären politisch wie wirtschaftlich brisant – und könnten erneut eine Grundsatzdebatte über die Aufarbeitung der Bankenrettung auslösen. (mb)















