Hedgefonds lehnen geplante ESG-Fondsregeln in Europa ab
Eine der weltgrößten Hedgefonds-Lobbys vertritt die Auffassung, dass die Marktaufsicht der Europäischen Union mit geplanten Vorschriften für ESG-Investitionen ihre rechtlichen Befugnisse überschreitet.
Es geht um neue Regeln für sogenannte Artikel-8-Fonds, an denen die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) arbeitet. Im Branchenjargon bezeichnet Artikel 8 die zweitstrengste EU-Klassifizierung für ESG- oder nachhaltige Anlageprodukte. Nachdem eine Verschärfung der ESMA für die Top-Kategorie Artikel 9 im vergangenen Jahr zu einer 175-Milliarden-Euro-Migration in die weniger strenge Klasse geführt hatte, befürchtet die Industrie nun ähnliche Turbulenzen.
AIMA: Rechtsgrundlage fehlt
Für Adam Jacobs-Dean von der Alternative Investment Management Association stellt die geplante Maßnahme der ESMA eine so grundlegende Änderung dar, dass diese vom Europäischen Parlament verabschiedet werden müsste. Der ESMA fehlt nach Ansicht der AIMA, deren Mitglieder rund 2,4 Billionen Euro Vermögen verwalten, die Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen. "Eine derartig präskriptive Reihe potenzieller Änderungen" müsse "gründlich geprüft werden", so Jacobs-Dean.
Die ESMA reagierte zunächst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. Die Behörde hat in der Vergangenheit erklärt, dass sie die Rückmeldungen noch prüfe und voraussichtlich in den kommenden Quartalen endgültige Leitlinien herausgeben werde.
Der Entwurf der ESMA sieht vor, dass ein Fonds, der mit ESG verbundene Bezeichnungen in seinem Namen führt, künftig mindestens 80 Prozent seiner Investitionen in Bereichen halten muss, die seiner eigenen Strategiebeschreibung entsprechen. Strenger werden die Anforderungen bei Fonds, deren Namen "nachhaltig" oder Varianten dieses Wortes enthalten. Bei ihnen muss die Hälfte dieser 80 Prozent nicht nur der eigenen, sondern auch der EU-Definition von nachhaltigen Vermögenswerten entsprechen.
Im vergangenen Jahr führten die erwähnten Änderungen der Artikel-9-Regeln dazu, dass massenhaft Fonds umklassifiziert werden mussten. Allein im vierten Quartal verabschiedeten sich Fonds mit einem Kundenvermögen von rund 175 Milliarden Euro aus der Kategorie – und das dürfte noch nicht alles gewesen sein.
Die Branche befürchtet nun ähnliches Ungemach bei der ESG-Fondskategorie Artikel 8, die allerdings viel größer ist und nach Schätzungen von Morningstar über vier Billionen Euro an Kundenvermögen umfasst. Nach Angaben der Securities and Markets Stakeholders Group, der Vertretung der Marktteilnehmer bei der ESMA , müssten 80 Prozent der Artikel-8-Fonds, die sich derzeit als "nachhaltig" bezeichnen, aufgrund des Vorschlags entweder ihre Bezeichnung ändern oder ihre Strategie anpassen.
Anwaltskanzlei: Beschränkungen für Kennzeichnung könnten zu Verwirrung führen
Die Anwälte der Kanzlei Linklaters kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass die Behörde ihre rechtliche Kompetenz überschreitet. Die ESMA sei zwar befugt, Verordnungen wie die SFDR auszulegen, sagte Linklaters-Anwältin Julia Vergauwen, die Fondsmanager berät. Die Festlegung der Schwellen stelle jedoch eine "wesentliche" Änderung dar, die weit über ihre Auslegungsbefugnisse hinausgehe, sagte sie. Die vorgeschlagenen Beschränkungen für die Kennzeichnung könnten laut Vergauwen zu Verwirrung führen. "Ist 'Wasser' ein neutraler Begriff oder ist es ein ESG-Begriff? Kann man den Begriff 'Wasser' im Namen seines Fonds verwenden, ohne in den Anwendungsbereich der ESMA-Konsultation zu fallen?"
In Anbetracht der möglichen Folgen hofft Jacobs-Dean, dass die EU den ESMA-Vorschlag in seiner jetzigen Form nicht durchgehen lässt. Die SFDR "existiert bereits, daran führt kein Weg vorbei", sagte er. Die Verordnung "wurde im Rahmen des normalen Gesetzgebungsverfahrens entwickelt, und wenn man sie ändern will, muss man sich ebenfalls an dieses Verfahren halten". (mb/Bloomberg)