"Ich sehe in der 'Frühstart-Rente' eine riesige Chance"
Der neue finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Fritz Güntzler (CDU), erklärt im Interview mit FONDS professionell, wie er zu wichtigen Themen wie Provisionsverbot, einer Reform der Altersvorsorge oder der Förderung des Finanzstandorts Deutschland steht.
Nachdem die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags über ein Vierteljahr zurückliegt, hat FONDS professionell die finanzpolitischen Sprecher fast aller im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin besucht. Sie haben zu wichtigen Fragen der Finanzpolitik, zu aufsichtsrechtlichen Themen sowie zur Reform der privaten Altersvorsorge Stellung genommen. Heute bezieht Fritz Güntzler (CDU) Position. Er hat in dieser Legislaturperiode als finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Nachfolge von Antje Tillmann angetreten.
Herr Güntzler, vor der Bundestagswahl hatten Teile der Finanzbranche die Einführung eines Provisionsverbots befürchtet. Ein solches Verbot findet sich jedoch nicht im Koalitionsvertrag. Sehen Sie das positiv?
Fritz Güntzler: Wir von der CDU/-CSU-Fraktion haben uns nie für ein Provisionsverbot ausgesprochen. Wir waren immer diejenigen, die die provisionsbasierte Beratung und das Honorarmodell nebeneinander erhalten wollten, weil beide Varianten ihre Berechtigung haben. Das halten wir nach wie vor für richtig und haben es im Koalitionsvertrag auch so verhandelt. Das Thema ist jetzt beendet, es wird beide Modelle weiterhin geben, der Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle eindeutig.
Die Finanzaufsicht Bafin soll mehr Kontrollbefugnisse bekommen. Worauf müssen sich Finanz- und Versicherungsvermittler einstellen?
Güntzler: Das ist eher ein Vorhaben der SPD, ich bin gespannt, welche Vorschläge da kommen werden. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Diskussionen, die in der vorletzten Legislaturperiode darüber geführt wurden, ob Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung unter die Kontrolle der Bafin gestellt werden sollten. Die Union war schon damals der Auffassung, dass die Bafin 34f-Vermittler nicht besser beaufsichtigen kann als die Industrie- und Handelskammern oder die Gewerbeämter. An dieser Ansicht hat sich nichts geändert. Aber wir werden in der kommenden Debatte sehen, ob und welche potenziellen Defizite unser Koalitionspartner noch benennen wird. Wir verweigern uns Gesprächen nicht. Sollte die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bafin verlagert werden, ist es allerdings wichtig, dass dies effizient und vernünftig geschieht.
Im Koalitionsvertrag ist zu lesen, die bisherige Riester-Rente solle in ein neues Vorsorgeprodukt überführt, von bürokratischen Hemmnissen befreit und grundlegend reformiert werden. Das erinnert an das von der FDP konzipierte Altersvorsorgedepot. Gehen die Pläne in diese Richtung?
Güntzler: Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es in der privaten Altersvorsorge Reformen bedarf. Der Staat lässt viel Geld in die Riester-Rente fließen, doch aufgrund der Garantiezusagen lassen sich keine guten Renditen erzielen. Das FDP-geführte Bundesministerium der Finanzen unter Christian Lindner hat mit dem geplanten Altersvorsorgedepot gute Vorarbeit geleistet. Das kann man sich jetzt noch einmal ganz genau ansehen. Ein solches Altersvorsorgedepot finde ich spannend.
Das wäre also tatsächlich der richtige Weg, um die private Altersvorsorge zu stärken?
Güntzler: Ja, mir sagen alle Fachleute, dass das Produkt an sich gut ist. Es gibt einige Webfehler, aber bevor man etwas ganz Neues macht, sollte man an den Fehlern arbeiten. Das hat der Koalitionsausschuss auch so beschlossen. Wir warten jetzt auf die klaren Entwürfe aus dem Bundesfinanzministerium. Uns als CDU ist es zum Beispiel wichtig, dass wir eine Verbindung zwischen der geplanten "Frühstart-Rente" und dem Altersvorsorgedepot bekommen, sodass mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein vernünftiger Übergang gestaltet wird. Das ist uns vom Bundesfinanzminister auch zugesagt worden.
Die geplante "Frühstart-Rente" ist zuletzt allerdings in die Kritik geraten, weil sie finanziell angeblich nicht genug bringt. Wo sehen Sie die positiven Aspekte?
Güntzler: Die "Frühstart-Rente" hat zum einen den Sinn, dass junge Menschen frühzeitig beginnen, für ihr Alter vorzusorgen. Natürlich reicht eine staatliche Zuwendung von zehn Euro pro Monat nicht aus, um den späteren Ruhestand abzusichern. Aber dahinter steckt ja auch die Idee der Finanzbildung. Mit der "Frühstart-Rente" kann man Kinder und Jugendliche an den Kapitalmarkt heranführen. Eltern oder auch Berater können sagen: "Schaut Euch das mal an, das ist spannend." Ich sehe in der "Frühstart-Rente" für alle Beteiligten eine riesige Chance, sofern wir eine Individuallösung bekommen.
Wie würde diese Lösung aussehen?
Güntzler: Dabei würden Eltern für ihre Kinder ein Depot eröffnen. Der abgeschlossene Vertrag würde dann von den Eltern oder dem Anbieter einer noch zu benennenden Stelle gemeldet, die dann den monatlichen Betrag überweisen würde. Im Raum steht aber immer noch eine Kollektivlösung. In diesem Fall würden für jedes Kind zwischen sechs und 18 Jahren jeden Monat zehn Euro in eine Stiftung fließen, die das Geld anlegt. Damit könnten die jungen Leute aber keine eigenen, praktischen Erfahrungen mit der Geldanlage sammeln, was aus unserer Sicht einen nicht zu unterschätzenden Lerneffekt verspricht. Zudem würde es uns beim nahtlosen Übergang in die eigentliche staatlich geförderte private Altersvorsorge ab der Volljährigkeit vor Herausforderungen stellen: Für die unterschiedlichsten Lebenswege gibt es keine One-Size-Fits-All-Lösung, die ein Staatsfonds verspricht. Hier sollte das vorhin erwähnte Altersvorsorgedepot mit individuellen Anlagemöglichkeiten stehen.
Und was würde für eine Kollektivlösung sprechen?
Güntzler: Es gibt Sorgen, dass bei einem Individualmodell die Abschlussquoten nicht sehr hoch ausfallen könnten, weil sich manche Bevölkerungsgruppen der Sache nicht zuwenden. Diese Sorge teile ich nicht. Wenn man zum Beispiel mit den Sparkassenorganisationen oder den Genossenschaftsbanken spricht, erfährt man, dass sie das Produkt wirklich voranbringen und bewerben wollen. Ich habe gehört, dass zum Teil Interesse daran besteht, bei Abschluss eines solchen Kontos sogar noch Geld dazuzugeben, weil auch die Institute die "Frühstart-Rente" als große Chance sehen. Zudem zeigen zum Beispiel die Erfahrungen in Israel, dass sich eine Vollabdeckung und ein weitgehend privatwirtschaftliches System nicht ausschließen müssen.
Die "Frühstart-Rente" soll bereits 2026 eingeführt werden. Ist das zu schaffen?
Güntzler: Das wäre mein Wunsch. Zu überlegen ist dabei, ob wir erst einmal mit den heute Sechsjährigen starten oder ob sofort alle Kohorten, also alle Sechs- bis 18-Jährigen monatlich zehn Euro bekommen. Wenn ich es richtig sehe, lässt der Koalitionsvertrag beide Wege offen.
Was würde die "Frühstart-Rente" kosten und wie soll sie finanziert werden?
Güntzler: Die "Frühstart-Rente" wird aus dem Bundeshaushalt finanziert und würde jährlich etwas über eine Milliarde Euro kosten, wenn alle Kohorten in den Genuss der staatlichen Förderung kämen. Das ist natürlich sehr viel Geld. Aber ich finde es toll, wie positiv die Finanzwirtschaft reagiert. Ich war erst kürzlich in Frankfurt und habe mit möglichen Anbietern gesprochen. Sie sagen mir alle, dass sie für eine Individuallösung ab dem 1. Januar 2026 startklar wären.
Wechseln wir das Thema. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass der Finanzplatz Deutschland gestärkt werden soll. Mit welchen konkreten Schritten kann dieses Ziel erreicht werden?
Güntzler: Wir müssen den Kapitalmarkt insgesamt in Deutschland stärken. Ich war Anfang September bei der Deutschen Börse mit dem Vorstand zusammen. Wir haben Nachholbedarf, was diese Dinge angeht. Wir fangen mit dem Standortfördergesetz an, das dem von der FDP in der vergangenen Legislaturperiode präsentierten Zukunftsfinanzierungsgesetz II recht ähnlich ist. Das neue Gesetz soll für den Finanzstandort Deutschland wichtige Impulse setzen. Wir bekommen einen wettbewerbsfähigen Rahmen für die Finanzierung von Infrastruktur und erneuerbare Energien. Es stecken eine ganze Menge Details darin, die Bürokratie abbauen werden.
Was genau ist im Standortfördergesetz für Fonds vorgesehen, die in Infrastruktur und erneuerbare Energien investieren?
Güntzler: Die Investmentbranche ist immer wieder an uns herangetreten und hat erklärt, für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien würden dringend Erleichterungen benötigt. Das Problem war, das Fonds in diese Sektoren nicht unbegrenzt investieren konnten, ohne steuerrechtlich erhebliche Nachteile zu bekommen. Durch Änderungen des Kapitalanlagegesetzbuchs und des Investmentsteuergesetzes soll das künftig nicht mehr der Fall sein. Das wird nicht einfach, denn das Investmentsteuergesetz ist eines der komplexesten Steuergesetze überhaupt. Aber aus der Branche höre ich, dass das genau das richtige Signal ist. Im Grunde geht es auch gar nicht um Erleichterungen, sondern um den Abbau steuerlicher Hemmnisse.
Kommen wir zum Schluss: Welche Projekte verfolgen Sie selbst in dieser Legislaturperiode?
Güntzler: Ich bin von Hause aus Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und in der Steuerpolitik sehr verhaftet. Schon 2019 hatte ich ein Papier zur Modernisierung des deutschen Unternehmenssteuerrechts geschrieben. Das haben wir damals aber nicht alles umsetzen können. Wir haben jedoch jetzt mit dem ersten Steuergesetz, das wir in sehr großer Eile durch den Bundestag gebracht haben, viel davon erreicht. Entscheidend war auch, das Signal zu setzen, dass die Körperschaftsteuer in Deutschland bis 2032 auf zehn Prozent sinken wird. Das Steuerrecht bietet allerdings noch viel mehr Herausforderungen. Da gibt es viel zu tun und zu entschlacken. Außerdem ist es mir sehr wichtig, eine Modernisierung des Einkommenssteuertarifs zu erreichen. Wir haben gerade in den unteren und mittleren Einkommensgruppen viel zu hohe Grenzsteuerbelastungen und der Spitzensteuersatz in Deutschland fängt bei etwa 68.000 Euro an. Da müssen wir dran.
Vielen Dank für das Gespräch. (am)
Zu allen Fragen hat auch bereits Stellung genommen:
Michael Schrodi, SPD
Christian Görke, Die Linke
Einen Bericht über die Standpunkte der Finanzexperten fast aller im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen Fragen der Finanz- und Steuerpolitik, zu aufsichtsrechtlichen Themen und zur Altersvorsorge finden Sie in der aktuellen Ausgabe 3/2025 von FONDS professionell, die Ende September erscheint.














