Gegen den Tiroler Investor René Benko, dessen Signa-Gruppe vor einem Jahr zusammengebrochen ist, hat die Staatsanwaltschaft Trient einen Haftbefehl erlassen. Der Schritt findet im Zuge umfangreicher Ermittlungen rund um Immobilienprojekte in Norditalien statt.  

Carabinieri durchsuchten heute das Rathaus in Bozen. Es wurden neun Haftbefehle erlassen. Darunter gegen den Wirtschaftsberater und Benko-Partner Heinz Peter Hager. Hager bestätigte gegenüber italienischen Medien seinen Hausarrest. Es gilt für alle die Unschuldsvermutung. Hager ist unter anderem Vorstand der Laura Privatstiftung, die Benko trotz Insolvenz einen hohen Lebensstandard ermöglicht.

Benko auf freiem Fuß
Benko habe Hager Hinweise gegeben, wie er Genehmigungen für Bauprojekte erhalten könne, berichtet die Nachrichtenagentur "APA" unter Verweis auf die Ermittlungsbehörden. Demnach wurde Benko vom Landeskriminalamt Innsbruck einvernommen und befindet sich auf freiem Fuß. Ein Europäischer Haftbefehl muss nicht vollstreckt werden, wenn dieser einen österreichischen Staatsbürger betrifft, gegen den auch im Inland ein entsprechendes Verfahren geführt werden kann, wie die "APA" Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr zitiert.

Benkos Verteidiger Norbert Wess sagte in einer Stellungnahme gegenüber österreichischen Medien, es werde kein Europäischer Haftbefehl gegen Benko vollzogen. Benko werde weiterhin mit allen Behörden kooperieren. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Vorwürfe widerlegen lassen.

Dutzende Verdächtige, 100 Durchsuchungen
Insgesamt haben die italienischen Behörden am Dienstag (3.12.) neun Personen unter Hausarrest gestellt. Darunter die Bürgermeisterin der Gemeinde Riva del Garda, Cristina Santi, und den ehemaligen Senator und Bürgermeister von Dro, Vittorio Fravezzi. Dazu kommen unter anderem zwei Architekten, ein Journalist und eine hochrangige Gemeindebedienstete.

Laut einer Presseaussendung der Carabinieri wird gegen 77 Personen ermittelt. Darunter elf öffentliche Verwaltungsangestellte und 20 Personen aus Gebietskörperschaften und Unternehmen. Es wurden über 100 Durchsuchungen in den Regionen Trient, Bozen, Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona angeordnet. Büros und Wohnungen wurden durchsucht. Auch im Ausland wird ermittelt.

Zahlreiche Delikte
Die Maßnahmen wurden von der Anti-Mafia- und Terrorismusbekämpfungs-Sektion der Staatsanwaltschaft Trient angeordnet und vom Ermittlungsrichter genehmigt. Dem sei eine "komplexe Ermittlungstätigkeit der Kriminal- und Steuerpolizei" vorausgegangen, wie es in der Aussendung der Carabinieri heißt. Die Ermittler orten demnach eine verbotene Vereinigung, die die öffentliche Verwaltung beeinflusst oder kontrolliert.

Im Raum stehe der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung, um im Gegenzug Konzessionen oder vereinfachte Verfahren zu erhalten. Davon abgesehen wird wegen einer großen Anzahl an Delikten ermittelt: kriminelle Verschwörung, Auktionsabsprachen, unerlaubte Beeinflussung, Betrug, unrechtmäßige Entgegennahme von Auszahlungen zum Nachteil des Staates sowie Korruption, unzulässige Anreize, Offenlegung von Amtsgeheimnissen und Unterlassung von Amtshandlungen sowie Steuerverstöße durch die Ausstellung von Scheinrechnungen.

Wie die italienische Zeitung "Republika" schreibt, kamen die Ermittlungen 2019 nach einem missbräuchlichen Zugriff auf das Computersystem eines städtischen Mitarbeiters von Bozen ins Rollen. (eml)