Nachdem die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mehr als ein Vierteljahr zurückliegt, hat FONDS professionell die finanzpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin besucht. Zwar treten Themen wie ein mögliches Provisionsverbot in Zeiten des Ukraine-Krieges in den Hintergrund, dennoch haben die Sprecher zu wichtigen Fragen der Finanzpolitik Stellung genommen. Heute bezieht Markus Herbrand Position. Er hat in der neuen Legislaturperiode als finanzpolitischer Sprecher der FDP die Nachfolge von Florian Toncar angetreten.


Herr Herbrand, das Projekt, Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung unter die Aufsicht der Bafin zu stellen, ist in der vergangenen Legislaturperiode nicht zustande gekommen. In den aktuellen Koalitionsvertrag hat es keinen Eingang gefunden. Wird das Vorhaben Ihrer Ansicht nach trotzdem noch einmal aufs Tapet kommen?

Markus Herbrand: Die FDP-Bundestagsfraktion ist ein entschiedener Gegner dieses Projekts. Ich bin froh, dass in der letzten Legislaturperiode der Gesetzentwurf, mit dem die Aufsicht über rund 38.000 Finanzanlagenvermittler auf die Bafin übertragen werden sollte, auf Eis gelegt werden konnte. Es ist auch ein Verdienst der FDP, die sich lautstark gegen diesen schädlichen Vorschlag gestellt und gebetsmühlenartig die Kritik öffentlichkeitswirksam vorgetragen hat. Eine Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bafin wäre nicht nur hoch bürokratisch und kostenintensiv, sie  würde auch viele Anbieter aus dem Markt drängen. Das steht in einem diametralen Gegensatz zu dem Nutzen, den ein solches Unterfangen mit sich bringen würde. Deswegen haben wir uns als FDP immer – auch in den Koalitionsverhandlungen – dafür eingesetzt, dass die Aufsichtsübertragung nicht kommt. 

Auch ein Provisionsverbot in der Finanz- und Anlageberatung ist im neuen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, obwohl die Grünen es im November 2021 noch vehement gefordert hatten. Ist es möglich, dass ein generelles Verbot der provisionsbasierten Beratung in dieser Legislaturperiode trotzdem zum Thema wird? 

Herbrand: Auch hier bin ich strikt dagegen! Die provisionsbasierte Beratung ist ein Erfolgsmodell, das auf Wettbewerb fußt. Es ist auch anzunehmen, dass Teile der Bevölkerung faktisch von einer Anlageberatung entkoppelt würden, wenn man das Provisionsmodell abschaffen würde. Außerdem sollte die Politik nicht zugunsten eines Vergütungsmodells in den Markt eingreifen, das wäre zutiefst illiberal und hätte eine unlautere Verzerrung zur Folge. 

Vor allem die Grünen setzen sich für einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung ein. Wie stehen Sie dazu?

Herbrand: Wir haben grundsätzliche Bedenken gegenüber einem künstlichen Eingreifen in die Vergütungsstruktur, wofür ein Provisionsdeckel exemplarisch stehen würde. Gleichzeitig müssen wir darauf schauen, dass sich alle Teile der Bevölkerung eine Vorsorge leisten können. Deswegen müssen wir die Altersvorsorge auf die Höhe der Zeit bringen, was im andauernden Niedrigzinsumfeld zwar schwierig ist, aber gemacht werden muss. 

Damit sind wir schon bei der sogenannten "Aktienrente", deren Start erst einmal verschoben wurde. Wird diese tatsächlich eine Rente ermöglichen, die den Lebensstandard der Bürger sichert, oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Herbrand: Die Einführung der Aktienrente ist ein Systemwechsel, der dringend notwendig ist. Die Aktienrente ist der Einstieg in ein nachhaltigeres, zukunftsfestes Deutschland, das wir dringend benötigen, sonst fahren wir in Anbetracht der demografischen Entwicklung gegen die Wand. Zudem sollen auch Selbstständige sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Damit sorgen wir für ein stabiles Rentensystem und minimieren zugleich das Risiko von finanziellen Sorgen im Alter, von dem besonders oft Selbstständige betroffen sein können. Es ist ein zentraler Baustein eines demografiefesten, nachhaltigen Altersvorsorgesystems, das Raum für individuellen Vermögensaufbau zulässt. 

Ab dem 22. August 2022 sollen Anlageberater die Nachhaltigkeitspräferenzen Ihrer Kunden in der Geldanlage abfragen. Ist dies ein vernünftiges Projekt, das zu mehr Nachhaltigkeit führen wird? 

Herbrand: Überlegungen, den Kapitalmarkt nachhaltig auszugestalten sind grundsätzlich richtig, denn sie sorgen für ein höheres Maß an Resilienz. Die delegierten Rechtsakte der Europäischen Kommission zu Mifid II, auf die Sie hier Bezug nehmen, gehen in die richtige Richtung, wenngleich ich mir von der Vorgängerregierung einen weniger straffen Zeitplan für die Umsetzung gewünscht hätte. 

Mit dem Regelwerk der Taxonomie legt die EU-Kommission Standards für ökologisches Wirtschaften fest. Atom- und Gasenergie werden in dem Klassifizierungssystem nun aber als nachhaltig eingestuft. Wie bewerten Sie diese Einstufung? 

Herbrand: Deutschland hat sich nicht ohne Grund gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig ausgesprochen. Denn es ist zu befürchten, dass viele Anleger und Investoren das Vertrauen in als nachhaltig vermarktete Finanzprodukte verlieren. Eine solche Einstufung schädigt die Integrität und Glaubwürdigkeit und damit auch den Nutzen der Taxonomie. 

Und zum Schluss: Welche großen finanzpolitischen Pläne und Projekte verfolgt Ihre Partei in der laufenden Legislaturperiode?

Herbrand: Investitionsanreize und Steuerentlastungen, die Deutschland nach vorne bringen, Bürokratieabbau, der längst überfällig ist, und die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stehen ganz weit oben auf meiner to-do-Liste und werden von uns Stück für Stück abgearbeitet.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)


Zu allen Fragen haben auch bereits Stellung genommen:
Michael Schrodi, SPD
Katharina Beck, Bündnis 90/Die Grünen


Einen Bericht über die Standpunkte der Finanzexperten aller im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen Fragen der Finanzpolitik, zu Altersvorsorge und Nachhaltigkeit finden Sie in der neuen Ausgabe 1/2022 von FONDS professionell, die Ende März erschienen ist. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.