Das Gezerre um die Abgeltungsteuer nimmt kein Ende. Pünktlich zum Jahresbeginn und neun Monate vor der Bundestagswahl hat sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dafür ausgesprochen, die umstrittene Steuer abzuschaffen. Stattdessen sollen Anleger auf Kapitalerträge wieder ihren individuellen Einkommensteuersatz zahlen. "Wir wollen die gleiche steuerliche Behandlung für Kapital und Arbeit", sagte Oppermann der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der damalige SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte den Einheitstarif im Jahr 2009 eingeführt, um die grassierende Steuerflucht einzudämmen.

Bei einer Besteuerung von Kapitalerträgen nach dem persönlichem Einkommensteuersatz müssten wohl viele Anleger tiefer in die Tasche greifen als bisher. Arbeitseinkommen werden mit bis zu 45 Prozent belastet, die Abgeltungsteuer beträgt pauschal 25 Prozent. Andererseits könnten Einkünfte aus Börsengeschäften unter das Teileinkünfteverfahren fallen und damit nur teilweise steuerpflichtig sein, mutmaßt das "Handelsblatt". Wer von einem möglichen "Aus" der Abgeltungsteuer profitieren würde, hängt letztlich davon ab, wie Politiker die Abschaffung gestalten.

Schäuble ringt um klare Linie
Bislang ist das Hickhack für Anleger und Berater wenig durchschaubar. Zuletzt hatte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) signalisiert, die Steuer abschaffen zu wollen. Er schloss sich damit Experten an, die – rein formaljuristisch – so argumentieren: Durch den demnächst technisch möglichen Abgleich von Steuerdaten zwischen rund hundert Staaten würden viele Steueroasen ausgetrocknet. Der eigentliche Grund für den Start der Abgeltungsteuer wäre damit obsolet.
 
Die Kehrtwende kam dennoch überraschend. Noch im vergangenen Dezember hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) dafür plädiert, die Steuer doch beizubehalten. Deren Abschaffung könnte den Fiskus nämlich nach Berechnungen von BMF-Beamten teuer zu stehen kommen. Grund: Spitzenverdiener würden wohl von einem Ende der Steuer profitieren, der Fiskus rund eine Milliarde Euro pro Jahr weniger einnehmen.

Experten zerrupfen Argumente der Abgeltungsteuer-Gegner
Ökonomen wie Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, halten die Begründung der Abschaffungs-Befürworter für fadenscheinig. Zum einen überzeichne der Vergleich zwischen dem Spitzensteuersatz von 44,3 Prozent und dem Abgeltungsteuersatz von 26,4 Prozent (inklusive Solidaritätszuschlag, Anm. der Redaktion) die tatsächlichen Belastungsunterschiede. Betrachte man die Lohnsteuer als Indikator für die Steuerbelastung von Arbeitseinkommen, dann zeige sich eine durchschnittliche Belastung für alle Arbeitnehmer von 17 Prozent, führte Fuest bereits in einem Zeitungskommentar vor rund einem Jahr aus. Die Gruppe der Besserverdienenden im Einkommensbereich zwischen 50.000 und 100.000 Euro zahle knapp 22 Prozent. De facto würden also Kapitaleinkommen höher besteuert als Arbeitseinkommen.

Zum anderen, so Fuest. sei der Vollständigkeit halber auch zu berücksichtigen, dass mit Einführung der Abgeltungsteuer die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen verschärft wurde, die zuvor nach einer zwölfmonatigen Spekulationsfrist steuerfrei waren. (ps)