Offenlegungsverordnung: Die Zeichen stehen auf Neustart
Die EU-Offenlegungsverordnung soll überarbeitet werden. Erste Vorschläge für Änderungen des komplizierten Regelwerks liegen bereits vor. Sie deuten darauf hin, dass die Verordnung grundlegend reformiert wird.
Sie ist im März 2021 in Kraft getreten und soll Anlegern eigentlich mehr Informationen darüber an die Hand zu geben, inwieweit Finanzprodukte wie Fonds Nachhaltigkeitsstandards berücksichtigen. Doch weil die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, kurz Offenlegungsverordnung genannt, enorm komplex ist, hilft sie Privatinvestoren bei ihrem Wunsch, ESG-konform anzulegen, kaum weiter. Das hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt – und wird das Regelwerk höchstwahrscheinlich grundlegend überarbeiten.
Die EU-Offenlegungsverordnung wird derzeit einer Generalüberholung, einem Review, unterzogen. Die EU-Kommission hatte im Zuge des Reviews von Level 1 der Verordnung im September 2023 die europäischen Aufsichtsbehörden für Banken (EBA), Versicherungen (EIOPA) und Wertpapierunternehmen (ESMA), Finanzmarktakteure sowie Wissenschaftler unter anderem dazu befragt, welche von zwei Optionen sie für eine Reform des Regelwerks als sinnvoller erachten: Sollen für die Artikel 8 und 9 künftig weitere Definitionen und Mindestanforderungen vorgesehen werden? Oder sollen die beiden Artikel abgeschafft und stattdessen konkrete Kategorien für nachhaltig investierende Finanzprodukte eingeführt werden?
Wechsel zu einem Kategorisierungssystem
Zu den im Mai 2024 vorgelegten Ergebnissen haben sich über den Sommer auch die nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsländer geäußert. "Alle wichtigen Akteure sprechen sich für einen Wechsel zu einem inhaltlich begründeten Kategorisierungssystem aus", erklärt Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Fondsverband BVI. Einen Wechsel weg von einem reinen Transparenz- und hin zu einem Klassifizierungssystem halten auch die drei europäischen Aufsichtsbehörden, die ESAs, für erforderlich.
"In ihrer 'Joint Opinion' schlagen sie insbesondere zwei Kategorien vor", sagt Markus Lange, Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei Baker Tilly. In die Kategorie "Sustainability" sollen Finanzprodukte fallen, die nachweislich in nachhaltige Aktivitäten oder Vermögensgegenstände investieren. Legen etwa Fonds in Unternehmen an, die mit ihren Wirtschaftstätigkeiten ein Umweltziel, ein soziales Ziel oder beides verfolgen, würden sie in die Kategorie "Sustainability" eingestuft. Der zweiten Kategorie "Transition" sollen Produkte zugeordnet werden, die in Aktivitäten oder Vermögensgegenstände investieren, die die Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit weiter voranbringen.
Ein neuer Indikator
"Werden diese Produktkategorien etabliert, muss man sich natürlich fragen, was mit den in Artikel 8 und 9 enthaltenen Transparenzanforderungen geschehen soll", sagt Lange. Auch dafür haben die ESAs eine Lösung. "Die Behörden schlagen einen Sustainability Indicator vor, der den Grad der Nachhaltigkeit eines Finanzprodukts angibt", erläutert Lange.
Dieser Indikator soll sich sowohl auf Nachhaltigkeit im ökologischen als auch im sozialen Sinne beziehen. Um zu definieren, was unter ökologischer Nachhaltigkeit zu verstehen ist, soll nach dem Willen der drei Behörden künftig die Taxonomie-Verordnung herangezogen werden.
Idee der sozialen Taxonomie wieder aufnehmen
"Da sich der Sustainability Indicator auch auf Nachhaltigkeit im sozialen Sinne erstrecken soll, haben die drei Aufsichtsbehörden angeregt, die EU-Kommission möge doch auch die Idee einer sozialen Taxonomie noch einmal neu aufnehmen", erläutert Lange. Dieses Konzept soll die soziale Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten transparent und messbar machen, ist von der Kommission in jüngster Vergangenheit aber nicht weiterverfolgt worden.
Hierzulande macht sich der BVI für eine dritte Produktkategorie stark. "Die EU-Behörden möchten ein sehr enges Kategorisierungssystem einführen, mit dem man aber nur einen kleinen Teil der Produkte mit Nachhaltigkeitsmerkmalen abdeckt", sagt Kuper. "Daher brauchen wir eine dritte Kategorie, die nicht primär auf eine positive Wirkung im Sinne der Nachhaltigkeit zielt, sondern mit der Anleger zum Beispiel unerwünschte Wirtschaftssektoren ausschließen können", erläutert sie.
ESG-Präferenzabfrage anpassen
Eine weitere zentrale Forderung des BVI lautet, die Reform der Offenlegungsverordnung nicht isoliert zu betrachten, sondern von Anfang an mit einer Überarbeitung der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage zu verknüpfen. "Wir müssen beides Hand in Hand vorantreiben und auf eine Rückkopplung zur Praxis achten", findet Kuper. Gut wäre es zum Beispiel, Produktkategorien, die zur Diskussion stehen, im Vertrieb schon mal zu testen. "Die Kategorien sollten für den Anleger verständlich sein und der Berater sollte sie einfach erklären können", so die Expertin. (am)
Einen ausführlichen Bericht über den Review der EU-Offenlegungsverordnung finden Sie in FONDS professionell 4/2024 ab Seite 436. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.