Die Allianz Leben hat in einem Streit um gesenkte Rentenfaktoren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine Niederlage erlitten. Die Richter des 2. Zivilsenats gaben einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZBW) statt, wie das OLG mitteilte. Der Versicherer darf sich nicht mehr auf eine Klausel in Verträgen über eine fondsgebundene Riester-Rente stützen, die ihm erlaubte, im Falle sinkender Kapitalerträge nachträglich die Rente zu kürzen. In der ersten Instanz vor dem Landgericht (LG) Stuttgart hatte die Allianz im Sommer 2023 noch Recht bekommen. Das aktuelle Urteil des OLG Stuttgart vom 30. Januar (Az. 2 U 143/23) ist aber nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Worum geht es genau? Bei Fondspolicen kann ein Versicherer für die Rentenphase keine Verzinsung garantieren, weil er nicht weiß, wie sich die gewählten Fonds entwickeln. Um Kunden eine Orientierung zu bieten, sagen viele Anbieter einen garantierten Rentenfaktor zu. Dieser Faktor ist eine Umwandlungsquote und gibt an, wie viel Euro Monatsrente ein Versicherter in der Auszahlungsphase für jeweils 10.000 Euro Fondsguthaben erhält. Allerdings ist dieser Faktor nur in wenigen Fällen fix und garantiert, die Versicherer bauen in Vertrags- oder Treuhänderklauseln vor, dass sie den Faktor unter bestimmten Umständen senken können (FONDS professionell berichtete; Anmeldung erforderlich) – genau das tat die Allianz.

Gegenstand des Verfahrens
Die Allianz hat in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Verträge über eine fondsgebundene Riester-Rente zwischen Juni und November 2006 eine Klausel verwendet, die es ihr erlaubt, im Fall einer bei Vertragsschluss nicht vorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Absenkung der Rendite der Kapitalanlagen den Rentenfaktor herabzusetzen. Die klagende VZBW hält die Anpassungsklausel für unwirksam, weil die Klausel weder eine Verpflichtung vorsehe, die Rente bei einer Verbesserung der Umstände wieder zu erhöhen, noch dem Verbraucher die Möglichkeit einräume, nach erfolgter Anpassung mit zusätzlichen Beiträgen das Rentenniveau wieder anzuheben.

Nachdem das LG der Allianz zugestimmt hatte, legten die Verbraucherschützer Berufung ein – und bekamen Recht: Das OLG untersagte der Allianz die Verwendung dieser sowie inhaltsgleicher Klauseln. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Klausel nach Paragraf 307 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers unwirksam sei. "Denn mit ihr wird allein das Interesse des Versicherers verfolgt, die Rentenhöhe abzusenken. Die Klausel sieht hingegen nicht vor, dass die Absenkung wenigstens teilweise wieder rückgängig gemacht wird, wenn sich die Verhältnisse wieder nachhaltig bessern. Damit wird das Recht zur Vertragsanpassung einseitig zugunsten des Versicherers ausgestaltet", heißt es in der Pressemitteilung. 

Zu geringe Prämienerhöhung
Eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers liegt dem Senat zufolge ferner darin, dass ihm keine Möglichkeit eingeräumt wird, auf die vorgenommene Rentenkürzung durch Einzahlung entsprechend höherer Prämien zu reagieren, um so die Rentenkürzung durch zusätzliche Einzahlungen wenigstens teilweise zu kompensieren. "Dass der Versicherungsnehmer nach den Versicherungsbedingungen ohnehin das Recht hat, einmal jährlich Zuzahlungen zu leisten oder den vereinbarten Beitrag zu erhöhen, stellt nach Auffassung des 2. Zivilsenats keine hinreichende Reaktionsmöglichkeit dar. Denn diese Zusatzzahlungen sind in ihrer Höhe beschränkt und nicht mehr möglich, wenn der steuerlich absetzbare Höchstbetrag von 2.100,00 Euro pro Jahr schon ausgeschöpft ist." Diese Zuzahlungsmöglichkeit hatte das LG Stuttgart übrigens noch als Begründung genommen, die Klage der VZBW abzuweisen. (jb)