Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Streit um zu wenig gezahlte Zinsen aus Prämiensparverträgen erneut auf die Seite der Verbraucher gestellt. Der elfte Senat des obersten deutschen Zivilgerichtes entschied sich am Dienstag (24.1.) bei einer weiteren Musterklage (Az. XI ZR 257/21) der Verbraucherzentrale Sachsen wieder zugunsten der von den Konsumentenschützern vertretenen Kunden. Im konkreten Fall muss die Sparkasse Vogtland Zinsen nachzahlen, wie aus einer Mitteilung des BGH hervorgeht. 

Die Aufgabe, wie diese Rückzahlung genau berechnet werden muss, übertrug der BGH wie in einem ersten, fast identischen Urteil vom Oktober 2021 zu dem Themenkomplex, aber wieder dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Bonus von 50 Prozent der Sparleistung
Die Sparkasse Vogtland hatte in den 1990er Jahren Kunden Prämiensparpläne verkauft, die den Kunden zusätzlich zum veränderbaren Grundzins ab dem dritten Jahr der Laufzeit einen jährlich wachsenden Bonus einräumt. Dieser ist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt und beträgt bis zu 50 Prozent der erbrachten Sparleistungen im Jahr. Andere Institute, die vor allem in den 1990ern und Anfang der 2000er-Jahre ähnlich gestrickte Produkt anboten, lobten vereinzelt sogar Prämien von bis zu 100 Prozent der jährlichen Sparsumme aus.

Mit Beginn der Niedrigzinsphase im Zuge der globalen Finanzkrise 2008/09 drückten viele Institute den variablen Zins massiv nach unten – die Sparkasse Leipzig etwa von anfangs 5,0 auf bis zu 0,001 Prozent. Dazu berief sie sich auf Klauseln in den Geschäftsbedingungen. In diesen heißt es zur Berechnung des variablen Grundzinses aber nur lapidar: "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst."  Diese Klausel berechtigt die Sparkasse ihrer Meinung nach, den Zinssatz weitgehend frei zu bestimmen.

BGH pocht auf "Verhältnismethode"
Nach Ansicht des BGH geht das aber nicht – wie schon in der Musterklage im Oktober 2021 entschieden. Vielmehr seien "die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen". "Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben", argumentiert der BGH weiter.

Damit haben die BGH-Richter dem OLG Dresden erneut vorgegeben, in welche Richtung die Berechnung des Zinssatzes gehen soll. Das OLG hatte argumentiert, es könne einen Referenzzinssatz nicht bestimmen, weil nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Diese Annahme sei rechtsfehlerhaft, rügte nun der BGH. Nun muss das Dresdner Gericht wieder ran.

Oberlandesgerichte zuletzt eher auf Bankenseite
Über diese erneute Betonung der Verhältnismethode zeigten sich die Verbraucherschützer erleichtert. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) berichtet, hatten sie Sorge, dass sich die Rechtsprechung des BGH zu dieser Frage drehen könnte, nachdem zwei Oberlandesgerichte in letzter Zeit eine bankenfreundliche Bemessung des Zinsabstandes angedeutet hatten. Die Geldinstitute hatten gefordert, dass der Vertragszins jeweils einen starren absoluten Zinsabstand zum allgemeinen Marktzins beibehalten müsse.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa liegen dem BGH zum Streitkomplex der zu wenig gezahlten Zinsen rund 20 Klagen vor. Allein die Verbraucherzentrale Sachsen vertritt neun Verfahren, denen sich etwa 6000 Verbraucher angeschlossen haben. Daher sieht die Verbraucherzentrale in dem Urteil einen weiteren Etappensieg für Prämiensparer: "Die Tendenz geht Richtung Verbraucher", lässt sich deren Rechtsexperte Michael Hummel zitieren. (jb)