Präzedenzfall "Common Ownership": Bedrohung für die ETF-Riesen?
Ein Kartellverfahren, das der Bundesstaat Texas gegen drei Größen der ETF-Branche angestrengt hatte, könnte sehr viel weitreichendere Folgen für die gesamte Fondsbranche haben. Zwei Forscherinnen der Columbia-Universität warnen vor einer möglichen Umwälzung des Marktes in seiner heutigen Form.
Bereits im November 2024 hatte der Bundesstaat Texas ein Kartellverfahren wegen angeblicher Marktmanipulation und klimabezogener Investorenabsprachen gegen die drei Asset Manager Blackrock, Vanguard und State Street angestrengt. Der Vorwurf: Die Fondsgesellschaften sollen – vorgeblich im Rahmen ihrer ESG- und Klima-Engagements – Einfluss auf Kohleunternehmen genommen haben, um die Produktion bis 2030 massiv zu reduzieren und so die Energiepreise zu erhöhen, was gegen das Wettbewerbsrecht verstoße. Noch ist in der Sache nichts entschieden, ein US-Bundesrichter hatte Anfang August den Antrag der drei Asset Manager auf Abweisung der Klage weitgehend abgelehnt, wodurch die Klage nun im Rahmen eines Hauptverfahrens mit Beweisaufnahme weiterverhandelt wird.
Vor diesem Hintergrund haben sich jetzt Denise Hearn und Cynthia Hanawalt, zwei Wissenschaftlerinnen der New Yorker Columbia-Universität, mit dem Fall auseinandergesetzt und kommen in einer Studie zu dem Schluss: Das Verfahren Texas gegen Blackrock und Co. könnte sehr viel weitreichendere Folgen haben als nur die Entscheidung über den kartellrechtlichen Aspekt der vermeintlichen Einflussnahme auf Kohleunternehmen oder die ESG-Frage per se. Denn das nun anstehende Hauptverfahren berge als Präzedenzfall zumindest das Potenzial einer geradezu existenziellen Bedrohung für die gesamte ETF-Branche, weil damit an den Grundfesten dieses Marktsegments gerüttelt werde.
"Common Ownership" erstmals vor Gericht
In ihrem Papier weisen die beiden Ökonominnen darauf hin, dass der Fall erstmals die Theorie der sogenannten "Common Ownership", zu deutsch "Theorie des gemeinsamen Eigentums", vor Gericht bringe. Diese Theorie besagt, dass große, indexbasierte Vermögensverwalter gegen Kartellgesetze verstoßen könnten, da sie wettbewerbswidrige Anreize über eine horizontale Aktienbeteiligung an ganzen Branchen hinweg schaffen. "Würde eine Entscheidung horizontale Aktienbeteiligung für illegal erklären, käme dies einer Umwälzung des Marktes in seiner heutigen Form gleich", heißt es dazu wörtlich in dem Papier.
Sollte ein Gericht den horizontalen Anteilsbesitz im Sinne einer "Common Ownership" für wettbewerbswidrig erklären, hätte dies weitreichende Folgen für den gesamten Fondsmarkt, insbesondere Indexfonds und ETFs, und nicht zuletzt die Mechanik der globalen Kapitalmärkte, warnen die beiden Autorinnen in ihrem Ausblick. Das halten zwar beide für relativ unwahrscheinlich, allein schon weil die ursprüngliche von Texas angestrengte Klage auf rechtlich und faktisch schwachen Beinen stehe. Keine der typischen Voraussetzungen für eine Schädigung des Wettbewerbs wie etwa eine direkte Board-Kontrolle, Preisabsprachen oder gezielte Informationsweitergaben seien nachweisbar erfüllt. Es fehle zudem an Belegen, dass die Asset Manager konkrete Output-Restriktionen bei den Kohleunternehmen durchgesetzt hätten.
Öl ins Feuer des Anti-ESG-Lagers
Dennoch müsse man mit möglichen Auswirkungen etwa auf künftige freiwillige Nachhaltigkeitsinitiativen und die globale Debatte um die Rolle großer Asset Manager in diesem Zusammenhang rechnen. So könne selbst eine Niederlage von Texas in dem Verfahren zu grundlegenden Änderungen innerhalb der Vermögensverwaltungsbranche und vor allem der ETF-Architektur führen, die wiederum weitere Verhaltensänderungen nach sich ziehen würden. Das sei schon deshalb zu erwarten, weil ungeachtet einer zweifelhaften rechtlichen Begründung bereits die bloße Androhung ähnlicher Klagen seitens politischer Akteure aus dem Anti-ESG-Lager die Wirkung nachhaltigkeitsbezogener Stewardship-Bemühungen gebremst habe – und diese vermutlich weiter lähmen wird. (hh)















