Trotz anderslautender EU-Vorschriften werden Bankkunden bei der Geldanlage noch immer selten korrekt behandelt, wenn es um ihre Erwartungen bezüglich der Nachhaltigkeit von Investments geht. Das berichtet der in Berlin erscheinende "Tagesspiegel", dem eine noch unveröffentlichte Studie vorliegt. Die Vorgaben dazu, die sich aus der EU-Richtlinie Mifid II ergeben, seien nahezu wirkungslos.

Die von der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance auf Grundlage von über 400 Mystery-Shopping-Gesprächen durchgeführte Untersuchung zeige, dass die von der Europäischen Union vorgeschriebene Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen nicht funktioniere. Für die Studie wurden zwischen März und August 2023 Testkunden zu Beratungsgesprächen losgeschickt, um die Beratungsqualität zu überprüfen. Mit der ernüchternden Erkenntnis, dass es schlecht steht um die Umsetzung der EU-Vorgaben.

Keine korrekte Dokumentation
Demnach gehen Anlageberater größtenteils gar nicht auf die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden ein. Nur 47 Prozent der empfohlenen Produkte entsprachen den gewünschten Erwartungen der Anleger in dieser Hinsicht. Zudem würden die Vorgaben der Anleger nicht korrekt dokumentiert. Laut der Studie würden die Anlageberater, nachdem sie die Präferenzen falsch notiert haben, dann Produkte empfehlen, die diesen falschen Präferenzen entsprechen. Darüber hinaus würden nur wenige geeignete Anlageprodukte empfohlen. Von Anlageberatern jener Banken, die in erster Linie Produkte eines einzigen hauseigenen Vermögensverwalters empfehlen, erhielten die Testkäufer weniger geeignete nachhaltige Finanzproduktvorschläge.

Proaktives Eingreifen der Kunden erhöhe zudem die Wahrscheinlichkeit einer falschen Dokumentation von Nachhaltigkeitspräferenzen. Wenn Mystery Shopper intervenierten, wenn Anlageberater ihre Präferenzen für nachhaltige Anlagen nicht abfragten, wurden deren Nachhaltigkeitspräferenzen häufiger falsch dokumentiert als bei Testkunden, die nicht intervenieren mussten, weil ihre Präferenzen, wie in Mifid II vorgesehen, abgefragt wurden. Wichtig sei dabei die Einstellung eines Anlageberaters zu nachhaltigen Anlagen. Berater, die von den Testkäufern als positiv eingestellt gegenüber nachhaltigen Produkten wahrgenommen wurden, empfahlen auch mehr geeignete nachhaltige Produkte.

Immerhin: Risikopräferenzen werden eingehalten
Einen Lichtblick gibt es in der Studie dennoch: Die von Mifid II ebenfalls vorgegebene Berücksichtigung von Risikopräferenzen werde recht gut eingehalten. 87 Prozent der von den Beratern empfohlenen Finanzprodukte entsprachen in dieser Hinsicht den Angaben der Anleger. Die Studie hatte die Bankberater im Fokus. Nicht getestet wurden die Anlageempfehlungen von Versicherungsberatern, für die, ähnlich zu Mifid II, in der Versicherungs-Vertriebs-Richtlinie der EU (Insurance Distribution Directive, IDD) ebenfalls entsprechende Vorgaben zur Führung von Kundengesprächen in Bezug auf deren Geldanlage und ihre Erwartungen bezüglich Nachhaltigkeit bestehen. (hh)