Anlageberatung ist mühsam: Vermittler müssen Dutzende Informationen vom Kunden einholen, dürfen nur "geeignete" Finanzanlagen empfehlen und müssen dies ausführlich dokumentieren. Findet die Beratung per Telefon oder Video statt, ist eine Aufzeichnung Pflicht. Nicht nur das, auch die Provisionsoffenlegung kann zu unangenehmen Rückfragen führen.

Vor diesem Hintergrund scheint es manchem Vermittler verlockend, sich ein Zubrot als Tippgeber zu verdienen. Die eben erwähnten Pflichten entfallen, nicht mal die Vergütung muss er offenlegen. Immer wieder versuchen Emittenten, Geld über Tippgebermodelle einzuwerben. Meist findet das eher im Verborgenen statt, einzelne Fälle geraten jedoch an die Öffentlichkeit. So berichtete FONDS professionell jüngst über den Frankfurter Immobilienkonzern Publity, der monatelang über Tippgeber Käufer für Aktien seiner Tochter Preos suchte – und bei erfolgreichem Abschluss satte sieben Prozent Provision zahlte.

Doch wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen Vermittlung und Tippgebung? Worauf muss ein Berater achten, um nicht ungewollt in die Haftungsfalle zu tappen? FONDS professionell hat sich umgehört.

"Äußeres Erscheinungsbild"
"Grundsätzlich sind Tippgeber Personen, die Kunden auf die Möglichkeit eines Vertragsschlusses bei einem Dritten hinweisen", sagt Nikolaus Sochurek, Rechtsanwalt bei der Münchner Kanzlei Peres & Partner. "Vereinfacht ausgedrückt: Der Tippgeber darf auf eine Möglichkeit aufmerksam machen, nicht jedoch beratend tätig werden oder beim Vertragsschluss mitwirken, auch nicht bei dessen Anbahnung."

Maßgeblich zur Abgrenzung sei das "äußere Erscheinungsbild", meint Sochurek und verweist auf die sogenannte Tchibo-Entscheidung des Bundesgerichtshofes. 2013 hatten die Karlsruher Richter darüber zu entscheiden, ob das Versicherungsangebot des Kaffeerösters als Tippgebung oder Vermittlung einzustufen war. Dieses Urteil bezog sich zwar auf den Versicherungsbereich, die Grundsätze dürften aber auch bei der Anlagevermittlung gelten, so der Anwalt. "Für die Abgrenzung zwischen Vermittlung und Tippgebung spielt es daher keine Rolle, was Anbieter und Tippgeber vertraglich vereinbart hatten. Entscheidend ist nur, wie der Tippgeber im Einzelfall gegenüber dem Anleger aufgetreten ist." Sochurek empfiehlt, den Kunden ein Dokument unterzeichnen zu lassen, um schriftlich festzuhalten, dass keine Anlagevermittlung oder -beratung angeboten wurde.

Wichtig ist in jedem Fall, dass sich der Tippgeber tatsächlich auf die bloße Kontaktvermittlung beschränkt. "Sobald er über das Produkt aufklärt, also beispielsweise die Vorteile eines Investments herausstreicht, ist die Grenze zur Anlagevermittlung oder -beratung überschritten", mahnt Daniel Blazek, Partner der Bielefelder Kanzlei BEMK Rechtsanwälte.

Provisionshöhe als Indiz
Kann die Provision einen Hinweis darauf geben, dass die Grenze zur Vermittlung überschritten wurde? "Die Höhe der Vergütung spielt für diese Abgrenzung zunächst keine Rolle. Entscheidend sind nur die Handlungen des Tippgebers", sagt Sochurek. "Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass 'Empfehlungsmanagement' honoriert wird. Ist allerdings streitig, ob es sich tatsächlich nur um eine Kontaktanbahnung gehandelt hat, kann der Richter die Höhe der Provision als Indiz für seine Entscheidung hinzuziehen."

Udo Brinkmöller, Partner der Düsseldorfer Kanzlei BMS Rechtsanwälte, wird deutlicher: "Viele Richter halten schon 3,5 Prozent Maklercourtage für eine Lebensversicherung für grenzwertig. Wenn sie dann hören, dass ein Tippgeber das Doppelte davon als Provision bekommen hat, werden sie sehr deutlich fragen, wofür dieses Geld geflossen ist: Tatsächlich nur für die Kontaktanbahnung?" Schließlich sei die Höhe der Provision für die Produktgeber ein probates Mittel, die "Intensität der Einflussmaßname auf den Vertragsabschluss" zu steuern, wie Brinkmöller es formuliert. Oder anders ausgedrückt: "Wer nur Tippgeber ist, kann nicht sonderlich viel verdienen – er darf ja kaum was tun."

Es droht mächtig Ärger
Mitunter bitten Mandanten Brinkmöller um eine Einschätzung, was er von einem bestimmten Tippgebermodell halte. "Dann ist die erste Frage, die ich stelle: Wie hoch ist die Provision?", so der Anwalt. Falle sie sehr üppig aus, liege die Vermutung nahe, dass es sich um Finanzinstrumente – etwa Aktien – handele, die der Berater mit seiner Gewerbeerlaubnis gar nicht vermitteln dürfte. "Die Emittenten argumentieren dann häufig: Du bist ja nur Tippgeber, das ist rechtlich unkritisch", meint er. Das ist allerdings nur solange richtig, wie die Grenze zur Anlagevermittlung nicht überschritten wird.

Ist diese – sehr niedrige – Hürde genommen, droht dem Vermittler mächtig Ärger, mahnt Brinkmöller: "In diesem Fall haftet er voll für einen möglichen Verlust des Anlegers." Der Vermittler hat dann nicht nur seine Aufklärungs- und Beratungspflichten missachtet, sondern zudem ein unerlaubtes Geschäft betrieben. "Auf einen Schutz durch seine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung darf er dann nicht vertrauen." (bm)


In voller Länge ist dieser Beitrag in FONDS professionell 2/2021 auf Seite 416 erschienen. Dort wird zudem erläutert, wie sich die Bafin zum Thema äußert und woher der Begriff "Tippgeber" überhaupt kommt. Der Artikel kann auch hier im E-Magazin aufgerufen werden (Anmeldung erforderlich).