Totalverluste aus Aktien: Was Anleger jetzt verrechnen dürfen
Seit 2020 durften Verluste aus wertlos gewordenen Aktien nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze mit Gewinnen aus derselben Produktgattung verrechnet werden. Das Jahressteuergesetz 2024 und ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums schaffen nun neue Möglichkeiten.
Gute Nachrichten für Anleger, die mit Aktien Totalverluste erleiden: Sie dürfen das Minus nun wieder in voller Höhe mit Erträgen aus Aktiengeschäften verrechnen – für eine gewisse Zeit lang und unter gewissen Umständen sogar mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen. So sehen es das Jahressteuergesetz 2024 und ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vor, das kürzlich veröffentlicht wurde.
Das Jahressteuergesetz 2024 hat mit der umstrittenen steuerlichen Sonderbehandlung von Verlusten aus Termingeschäften und wertlos gewordenen Aktien Schluss gemacht. Seit 2020 durften diese lediglich bis zu einer Höchstgrenze von 10.000 Euro verrechnet werden, ab 2021 bis maximal 20.000 Euro, und zwar ausschließlich mit Gewinnen in derselben Einkunftsart. Das Jahressteuergesetz hat die Beschränkungen bei der Verlustverrechnung gestrichen, nicht nur für die Zukunft, sondern für alle noch offenen Fälle.
Interessantes in Randziffer 118
In einem kürzlich veröffentlichten BMF-Papier, in dem das Ministerium Einzelfragen zur Abgeltungsteuer regelt, ist die Randziffer 118 besonders interessant. Darüber berichtete zuerst das "Handelsblatt". FONDS professionell ONLINE hat sich die Sache im Detail angesehen.
In der Randziffer 118 ist definiert, dass Verluste aus dem wertlosen Verfall von Aktien grundsätzlich Verluste im Sinne des Paragrafen 20, Absatz 6, Satz 4 Einkommensteuergesetz (EstG) sind. Das bedeutet, solche Totaleinbußen dürfen wie alle anderen Verluste aus Aktiengeschäften nur gegen Aktiengewinne gerechnet werden und nicht gegen Erträge aus dem Verkauf von anderen Wertpapieren wie Fonds. Falls in einem Steuerjahr keine Gewinne aus Aktiendeals anfallen, sind die Verluste auf die folgenden Jahre vorzutragen.
Ausnahme für wertlos verfallene Aktien
Bei wertlos verfallenen Titeln macht das BMF nun allerdings eine Ausnahme. Um diese zu verstehen, ist es gut, zunächst einen Blick auf die verschiedenen Verlustverrechnungstöpfe zu werfen. In diesen führen Banken Buch über die verschiedenen Arten von Einbußen eines jeden Anlegers.
So werden in einem Topf Verluste aus dem Verkauf von Aktien, börsennotierten Immobiliengesellschaften (REITs) und Vollrisikozertifikaten mit Andienungsrecht eingebucht. In einem zweiten Topf landen Verluste aus den meisten anderen Wertpapieranlagen, so auch aus Fondsverkäufen. In einen weiteren Verlustverrechnungstopf flossen bislang Totalverluste aus Aktien, Anleihen, Genussrechten oder Darlehen ein.
IT-Systeme umstellen
Durch den Wegfall der steuerlichen Sonderbehandlung von Einbußen aus Termingeschäften und wertlos gewordenen Aktien müssen Banken bis zum 1. Januar 2026 ihre IT-Systeme umstellen. Denn Totalverluste aus Aktiengeschäften sind in den Verlustverrechnungstopf für Aktien einzubuchen. Aber: Wenn eine Bank solche Verluste bis zur Systemumstellung aus Vereinfachungsgründen dem Topf für "sonstige Verluste" zuordnet, in den unter anderem auch Einbußen aus Fondsverkäufen gebucht werden, so will das Ministerium das vorübergehend gelten lassen.
In diesem Fall dürfen Banken Verluste aus wertlos verfallenen Aktien mit sonstigen Kapitalerträgen verrechnen. Die Erleichterung soll auch für die Steuererklärung gelten. Dazu, ob die Ausnahme in allen noch offenen Fällen greifen soll, ist im BMF-Schreiben allerdings nichts zu lesen.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus
Die Frage, ob es eigentlich verfassungskonform ist, dass Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden dürfen, hat der Bundesfinanzhof dem Bundesverfassungsgericht bereits 2020 in einem Beschluss (Az.: 2 BvL 3/21) vorgelegt. Immerhin könnte dies gegen das im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlungsprinzip verstoßen. Eine Entscheidung dazu steht aber bis heute noch aus. (am)