Urteil: Vertriebe dürfen Stornoreserve von Vertretern nicht behalten
Unternehmen müssen jede Buchung zweifelsfrei nachweisen, wollen sie die Stornoreserve eines Handelsvertreters nach Beendigung der Zusammenarbeit nicht auszahlen. Der Handelsvertreter kann schlichtweg bestreiten, dass die Abrechnungen korrekt seien. Das hat das OLG Karlsruhe entschieden.
Streitigkeiten zwischen freien Handelsvertretern und ihren Gesellschaften sind alles andere als selten. Vor allem der Zank ums liebe Geld beschäftigt die Gerichte immer wieder. Nun hat das Jahr 2017 einige explizit handelsvertreterfreundliche Urteile gesehen, die die Position freier Handelsvertreter gegenüber ihren Gesellschaften stärken und die wirtschaftliche Existenz absichern. Das berichtet Tim Banerjee, Rechtsanwalt der Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach, in einer Pressemitteilung.
Das aktuellste Beispiel dafür stammt dem Juristen zufolge vom Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Richter haben am 13. September 2017 (Az. 15 U 7/17) zur Darlegungslast im Saldenprozess zwischen Unternehmer und Versicherungsvertreter herausgestellt, dass die Gesellschaft nicht grundsätzlich die Rückzahlung von Stornoprovisionen fordern darf.
Streit zwischen Handelsvertreter und Finanzvertrieb
Im konkreten Fall ging es um den Streit zwischen einem großen Finanzvertrieb und einem ihrer freien Handelsvertreter. Die Gesellschaft hatte nach der Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Selbstständigen die Stornoreserve mit der Begründung einbehalten, dass diese vollständig mit Stornierungen verrechnet worden sei.
Laut Vereinbarung wurden von jeder Provision zehn Prozent als Rückstellung auf einem speziellen Provisionsrückstellungskonto verbucht und die restlichen 90 Prozent auf ein Diskont-Konto ausgezahlt. Im Falle der Stornierung eines Versicherungsvertrages wurde der Rückbelastungsbetrag als Sollbetrag in das Konto eingestellt und zunächst mit der Stornoreserve auf diesem Provisionsrückstellungskonto verrechnet. Nur ein etwaiger verbleibender Saldo wurde dem Diskont-Konto belastet. So ist eine fünfstellige Summe auf dem Provisionsrückstellungskonto zusammengekommen, auf dessen Einbehaltung der Finanzvertrieb letztlich erfolglos geklagt hatte.
Vertriebe in der Beweisschuld
"Um den Anspruch auf Rückforderung vorschüssig gezahlter Provisionen aufgrund von Vertragsstornierungen zu begründen, muss das Unternehmen laut dem Urteil für jeden einzelnen behaupteten Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen und gegebenenfalls beweisen", so Banerjee. "Hierzu gehört die Darlegung der ordnungsgemäßen Nachbearbeitung der einzelnen notleidenden Versicherungsverträge." Diese Grundsätze gelten laut der Mitteilung auch, wenn der Unternehmer gegenüber dem Anspruch auf Auszahlung der Stornoreserve einwendet, diese sei durch die Stornierung vermittelter Verträge abgeschmolzen. Der Unternehmer trage die Darlegungslast zur Berechtigung der von ihm zur Verrechnung in die Abrechnung eingestellten Forderungen.
"Das Urteil führt für Handelsvertreter zu einer erheblich besseren Position nach dem Ende der Zusammenarbeit", kommentiert der Anwalt. "Unternehmen können sich nicht per se darauf berufen, die Stornoreserve einbehalten zu können. Der Handelsvertreter kann schlichtweg bestreiten, dass die Abrechnungen korrekt seien. In der Bringschuld ist dann die Gesellschaft. Will heißen: Das Unternehmen muss jede Position, für die es vom Handelsvertreter Geld verlangt, einzeln schlüssig nachweisen und kann nicht pauschal argumentieren. Das folgt der Ansicht, dass die Gesellschaft für die Richtigkeit der Buchungen verantwortlich ist." (jb)