Wer in die Finanzbranche einsteigt, lernt schnell: Provisionen sind umsatzsteuerfrei. Anders als etwa Immobilienmakler müssen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler von dem Geld, das sie von den Produktgebern erhalten, keine 19 Prozent abführen. Diese Information nehmen die meisten Vermittler dankbar auf und als quasi gottgegeben hin. Hinterfragt wird sie selten. Dabei lohnt es sich, ein wenig in die Details einzusteigen. Wer das tut, erfährt etwa, dass die Provision nur steuerfrei vereinnahmen darf, wer wesentlich zur Vermittlung beiträgt.

Doch was bedeutet das für den mehrstufigen Vertrieb? So verdient der Direktionsleiter eines Strukturvertriebs bekanntlich an jedem Abschluss der Handelsvertreter seines Teams. Darf er diesen Teil der Provision steuerfrei kassieren, obwohl er mit der eigentlichen Vermittlung auf den ersten Blick gar nichts zu tun hat? Und wie sieht es mit einem Maklerpool aus, der zwischen Vermittler und Produktgeber tritt? Muss er auf die Marge, die er von der Provision einbehält, zu Recht keine 19 Prozent abführen? Die kurze Antwort: Ja, auch die Provi­sion für den Direktionsleiter und den Maklerpool ist von der Umsatzsteuer befreit. Für die ausführliche Antwort muss man allerdings ein längeres Aber ergänzen. Denn steuerfrei ist die Zahlung nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

Gesetzgeber nimmt Zweiteilung vor
Dass auf Provisionen für die Vermittlung von Finanzprodukten keine Umsatzsteuer erhoben wird, hat die Branche der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu ver­danken. Deutschland setzte den Passus in Paragraf 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) um. Demnach sind "die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze" von der Steuer befreit. Das gilt auch für "die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungs­vertreter und Versicherungsmakler".

"Da nimmt der Gesetzgeber interessanterweise eine Zweiteilung vor: Bei den Versicherungen gilt die Befreiung für die gesamte typische Tätigkeit des Vermittlers, bei den Wertpapieren bezieht sie sich nur auf die Vermittlung der Produkte", sagt Daniel Ziska, Vorstand der Steuerberatungsgesellschaft GPC Tax aus Berlin. Schon das darf als Argument gelten, dass in einem Strukturvertrieb der "Ober" steuerfrei an den Umsätzen seines "Unter" mitverdient. Denn: "Die Betreuung von Untervermittlern kann durchaus als berufstypisch angesehen werden", sagt Ziska. Ähnlich ist es in Abschnitt 4.8.1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) formuliert. "Das spricht dafür, dass die Umsatzsteuerbefreiung auch für den Provisionsanteil des Strukturoberen gilt", so Ziska.

Zweck einer Vermittlung
Entscheidend ist aber, dass es sich überhaupt um eine Vermittlung handelt. Was darunter genau zu verstehen ist, lässt die EU-Richtlinie offen. Also wagte sich 2001 der Europäische Gerichtshof (EuGH) an ­eine Definition. Demnach ist Zweck einer Vermittlung, "das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat". Diese Defini­tion übernahm das Bundesfinanzministe­rium für den UStAE.

Was heißt das für den Einsatz von Untervermittlern? Eine Vermittlung liegt dem Erlass zufolge nur vor, wenn "der Unternehmer, der die Leistung der Betreuung, Überwachung und Schulung übernimmt, durch Prüfung eines ­jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann". "In der Praxis bedeutet das, dass ein Maklerpool nicht einfach jeden Vertrag ungeprüft an den Versicherer weiterleiten darf, sondern in der Lage sein muss, eine Police zurückzuweisen", erläutert Ziska. "Diese Möglichkeit behält sich jeder seriöse Maklerdienstleister vor. Deshalb gilt die Umsatz­steuer­befreiung auch für ihre 'Poolmarge'."

Befreiung für Sonderzahlungen
Trifft das auch auf die höherrangigen Vertreter eines Strukturvertriebs zu? Ja, meint Steuerberater Robert Prätzler. "Die Finanzvertriebe sind so organisiert, dass die Vertreter der oberen Stufen die Möglichkeit haben, bei einem Vertrag, den ein Untervermittler einreicht, ihr Veto einzulegen", sagt der Partner der Kanzlei RSM Ebner Stolz in Frankfurt, der Unternehmen zu ­allen Fragen rund ums Umsatzsteuerrecht berät. "Damit ist die Voraussetzung, auf den Vertragsabschluss einwirken zu können, erfüllt." Er verweist in diesem Zusammenhang auf mehrere Urteile des Bundesfinanzhofs (Az. V R 19/16, V R 44/07 und V R 7/08) und des EuGH (Az. C-453/05).

Die Steuerbefreiung kann sogar für Sonderzahlungen gelten, die manche Finanzvertriebe erfolgreichen Vertretern zukommen lassen, gern "Förderprovision", "Büro- und Organisationszuschuss" (BOZ) oder ähnlich genannt. Das Finanzamt eines Vermögensberaters hatte diesen Bonus als Zuschuss gewertet, der dem Strukturaufbau dienen sollte, und verlangte Umsatzsteuer. Doch das Finanzgericht Hannover (Az. 11 K 190/19) gab dem Vermittler recht. "Das Gericht argumentierte, es handle sich um eine 'Aufstockung der Grundprovision für die vom Vermögensberater erzielten Gruppenumsätze'", so Prätzler. Laut Urteil sahen die Richter einen "wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften". (bm)