Die Aachener Bausparkasse hat angekündigt, Bausparverträge auch dann kündigen zu wollen, wenn noch keine zehn Jahre seit der sogenannten Zuteilungsreife vergangenen sind. Macht dieses Beispiel Schule, dürften weitere Kündigungswellen auf Kunden zurollen. Das berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf das Geldinstitut.

Die Meldung ist vor dem Hintergrund mehrerer gerichtlicher Auseinandersetzungen von Bausparkassen und deren Kunden über die Kündigung älterer, hochverzinster Sparverträge einigermaßen brisant. Zahlreiche Anbieter gingen diesen Schritt, weil die Minizinsen die Erwirtschaftung der vor Jahren gegebenen Zinsversprechen zunehmend erschweren. Vergangene Woche hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Argumentation der Bausparkassen unter Berufung auf Paragraf 489 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch bestätigt (FONDS professionell ONLINE berichtete über die Details). Hierbei ging es aber explizit um Verträge, bei denen die Zuteilungsreife schon seit mehr als zehn Jahren erreicht war. Die Aachener Bausparkasse geht mit ihrer Ankündigung einen Schritt weiter.

"Störung der Geschäftsgrundlage"
Sie argumentiert laut dem Handelsblatt damit, dass die Geschäftsgrundlage zwischen ihr und den Kunden gestört sei. Dabei beruft sie sich auf die Paragrafen 313 ("Störung der Geschäftsgrundlage") und 314 ("Kündigung von Dauerschuldverhältnissen") in Verbindung mit Paragraf 490 BGB, der das "Außerordentliche Kündigungsrecht" regelt.

Im Paragrafen 313 BGB heißt es laut Handelsblatt sinngemäß: Ein Vertrag kann gekündigt werden, wenn sich die Grundlagen des Vertrages so sehr geändert haben, dass die Beteiligten ihn nicht geschlossen hätten, wenn sie das Ausmaß der Änderung geahnt hätten. Wohl gemeint sind in diesem Fall die rekordniedrigen Zinsen. Aufgrund der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) seien die Zinsen so tief gefallen, dass Bausparkassen für einige Altverträge höhere Guthabenzinsen zahlen, als sie für Bauspardarlehen an Zinsen erhalten. Das rechtfertigt aus Sicht der Aachener die Kündigungen: Die hochverzinsten Altverträge gefährden die Existenz der Kassen.

"Es fehlt mir die Fantasie, dass ein Richter dem Argument 'gestörte Geschäftsgrundlage‘ folgt", sagt Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg der Zeitung. Seiner Einschätzung nach müsse der betroffene Kunde vor Gericht ziehen, wenn die Bausparkasse nicht einlenke. Nauhauser geht zudem davon aus, dass der BGH in seiner Begründung zum jüngsten Bausparkassen-Urteil auf Kündigungen nach Paragraf 313 und 314 BGB eingehen und diese verwerfen wird. (jb)