Bundesgerichtshof stärkt Versicherer bei Rückabwicklung von Policenmodellen
Im Mai hatte ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) ein "ewiges" Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen nach einem Policenmodell bejaht. In einem aktuellen Urteil hat der BGH die Bedingungen für dieses ewige Recht präzisiert und Versicherungen vor einer Rückabwicklungswelle geschützt.
Versicherungen müssen keine Rückabwicklungswelle bei Lebensversicherungen befürchten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 16. Juli die Klage eines Versicherungsnehmers zurückgewiesen, der mit Berufung auf europäisches Recht die Rückzahlung von Beiträgen für eine 1998 nach dem Policenmodell abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung einfordern wollte. Damit hat das Gericht die Versicherungen geschützt, wie Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala aus München kommentiert.
Das aktuelle Urteil des BGH zu zwischen 1994 und 2007 geschlossenen Altverträgen, über das die Pressestelle des Gerichtes informiert (das vollständige Urteil wurde noch nicht veröffentlicht) kommt rund zwei Monate nach einer anderen Entscheidung des Höchstgerichtes zu dem Thema. In diesem sind die Richter der Forderung eines Klägers nach Rückabwicklung einer ebenfalls 1998 nach dem Policenmodell abgeschlossenen Rentenversicherung nachgekommen (FONDS professionell ONLINE berichtete).
Europäisches Recht greift nicht
Im Unterschied zu dem Mai-Urteil konnte der BGH laut Pressemitteilung diesmal aber keine Fehler der Versicherungsgesellschaft erkennen, die zu einer Rückabwicklung führen mussten. Der BGH sah es als erwiesen an, dass der Versicherer den Kunden ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt und ihm den nach Paragraf 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG a.f.) – dieser galt bis 2007, heute ist es § 8 VVG – erforderlichen Versicherungsschein (Police), die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation (Widerspruchsbelehrung) zugeschickt hatte. Damit galten zugleich die gesetzlichen Bedingungen, wonach ein Widerspruchssrecht 14 Tage nach Erhalt der oben genannten Unterlagen erlosch. Dagegen hatte in dem Mai-Urteil die Versicherung die Unterlagen nicht ordnungsgemäß zugesandt, woraus der BGH ein grundsätzliches, ewiges Rücktrittsrecht des Klägers abgeleitet hatte, erläutert Fiala.
Weil die oben genannten Bedingungen für einen Widerruf des Klägers nicht erfüllt waren, kann auch ein weiterer Punkt des vorherigen Urteils nicht greifen. Hier hatte der BGH sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) berufen, nach der die deutsche Regelung, dass ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie – selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist – erlischt, gegen europäisches Recht verstößt.
"Ohrfeige für Kläger"
Wichtig für die Versicherungswirtschaft ist aber eine weitere Begründung des BGH, auf die Rechtsanwalt Fiala besonders hinweist und die seiner Auffassung nach eine "Ohrfeige für den Kläger" ist. In der Mitteilung des BGH heißt es dazu, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht von der unionsrechtlichen Frage abhinge, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. "Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte", schreibt der BGH.
"Das Gericht hat dem Kläger somit ins Buch geschrieben, dass er nicht erst nach zehn Jahren kommen könne und die Rückzahlung seiner Beiträge fordern könne", kommentiert Fiala. (jb)
Kommentare
Verfassungsbeschwerde
AntwortenWir - die proConcept AG – haben das Verfahren als Prozessbetreuer für den betroffenen Kunden begleitet und erachten das Urteil des BGH als nicht hinnehmbar, weil es eine grundsätzliche Entscheidung über das Policenmodell gekonnt umschifft.
proConcept am 21.07.14 um 14:21Einerseits äußerten sich die Richter zwar negativ zum Policenmodell, erklärten dieses aber andererseits als irrelevant für den konkreten Fall. In diesem sei der Kunde nämlich ausreichend belehrt worden. Problematisch hierbei ist jedoch, dass überhaupt noch nicht höchstrichterlich geklärt wurde, nach welchen Kriterien eine Belehrung als ordnungsgemäß gilt und wann als fehlerhaft. Zudem ist es mehr als fraglich, ob eine Belehrung überhaupt ordnungsgemäß sein kann, wenn das zugrundeliegende Vertragsmodell gegebenenfalls nichtig ist.
Leider war mit der willkürlichen Entscheidung jedoch von Anfang an zu rechnen, da der BGH Angst vor den wirtschaftlichen Folgen eines Grundsatzurteils zur Rechtsfrage des Policenmodells hat und diese unter allen Umständen zu verhindern bemüht war. Der BGH versucht mit seinem Vorgehen eine Rechtsmeinung zum Policenmodell zu manifestieren, die keiner juristischen Überprüfung standhält & den Auffassungen der Bundesregierung, des Bundesverfassungsgerichtes, der Europäischen Kommission und der Generalanwältin zuwiderläuft. Dies fällt schon allein deshalb auf, weil uns das Bundesverfassungsgericht in mittlerweile 10 Verfassungsbeschwerden recht gibt und erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität des Policenmodells äußert.
Um eine juristische Überprüfung dieser unhaltbaren Rechtsmeinung zu verhindern, führt der BGH deshalb an, dass es auf die Frage, ob das Policenmodell mit Unionsrecht vereinbar ist, überhaupt nicht ankäme, sondern sich der Kunde grob vertragswidrig verhalten hätte. Dabei ignoriert der BGH standhaft die Schutzvorschriften, die der Europäische Richtliniengeber für den Verbraucher vorgesehen hat. Aus diesem Grund werden wir diese Entscheidung selbstverständlich verfassungsgerichtlich überprüfen.