Die Hubschrauber kommen: Hongkong wagt kurioses Geldexperiment
Hongkong ist zwar kein eigener Staat, aber als Metropole und Sonderverwaltungszone an der Südküste der Volksrepublik China mit eigener Währung und Hoheit ausgestattet. Und beides nutzen die Verantwortlichen nun dazu, um Geld vom Himmel regnen zu lassen.
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. In Hongkong kommen gleich mehrere "Unregelmäßigkeiten" zusammen. Neben dem grassierenden Coronavirus sind es die Studentenunruhen, die nach Monaten des Protests zu einem sichtbaren Erlahmen des Wirtschaftswachstums geführt haben.
Wie Bloomberg News zuerst meldete, wird die Stadtregierung als Gegenmaßnahme jedem Einwohner über 18 Jahren, der eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung nachweisen kann, 10.000 Hongkong-Dollar (das entspricht dem Gegenwert von 1.283 US-Dollar oder 1.182 Euro) zur Verfügung stellen, um die wirtschaftliche Aktivität wieder anzukurbeln. Die Ausgabe geht zu Lasten des Budgets, sagt die lokale Nachrichtenstation TVB. Damit ist eine der unter Ökonomen am meisten diskutierten konjunkturellen "Notaktionen" aus den Lehrbüchern in der realen Wirtschaftswelt angekommen: die des so genannten "Helikoptergeldes".
Urheber des umstrittenen Konzepts, Bares quasi "vom Himmel regnen" zu lassen, ist Milton Friedman. Der Nobelpreisträger mahnte, dass die positiven Effekte expansiver Geldpolitik wegen der Trägheit des Finanzsystems ab einem gewissen Zeitpunkt verpuffen könnten, noch ehe sie in der Realwirtschaft angekommen sind. Stattdessen schlug Friedman vor, frisch gedrucktes Geld ohne Umwege direkt an die Bürger zu verteilen – ohne Gegenleistungen oder Gebühren zu verlangen. Weil die Beschenkten das Geldgeschenk – so seine Annahme – sofort ausgeben, würde die Zusatznachfrage auf einen Schlag das Deflationsgespenst vertreiben, die Investitionstätigkeit anregen und die Wirtschaft insgesamt ankurbeln. Um zu veranschaulichen, wie eine solch unkonventionelle Geldpolitik ausschaut, wählte Friedman das Bild eines Hubschraubers, der Dollar-Scheine abwirft.
Geldpolitische "Bankrotterklärung"?
Friedmans Idee fußt allerdings auf zwei wichtigen Annahmen, die in den Begriffen "sofort" und "ausgeben" versteckt sind. Denn Voraussetzung ist, dass die Beschenkten das Geld nicht aufs Sparkonto oder unter die Matratze tun – was trotz Nullzinsen dennoch vielfach geschieht, beispielsweise in Japan. Kritiker lehnen das "Helikopter-Konzept" daher als geldpolitische Bankrotterklärung rundweg ab.
Die Zeitung "South China Morning Post" berichtet mit Verweis auf die Bekanntgabe des Haushaltsplans von Finanzminister Paul Chan derweil von zusätzlichen Maßnahmen zur Unterstützung von Hongkongs Wirtschaft. So sollen Familien und Unternehmen obendrein steuerlich entlastet werden. Das Geld dafür nimmt Finanzminister Chan nach eigenen Angaben aus Rücklagen, die Hongkong in den vergangenen Jahren gebildet hat. (ks/ps)