Gesetzentwurf: Bund bereitet sich auf Schräglage von Versicherern vor
Der Entwurf für ein "Risikobegrenzungsgesetz" des Bundesfinanzministeriums beschäftigt sich erstmals konkreter mit der Frage, was passieren soll, wenn Versicherungsunternehmen auf eine Pleite zusteuern. Zwar gibt es hierfür seit Jahren gesetzliche Vorgaben. Diese werden nun aber präzisiert.
Das Problem ist nicht neu, doch jetzt treibt es ganz offiziell auch die Bundesregierung um: Die deutschen Lebensversicherer ächzen unter dem dauerhaft niedrigen Zinsniveau, das es ihnen zunehmend schwerer macht, Garantieversprechen von bis zu vier Prozent aus älteren Verträgen einzuhalten. Die Frage ist, was eigentlich geschehen soll, wenn die hohen Garantiezinsen aus der Vergangenheit das Eigenkapital mehrerer Versicherer auf einen Schlag so weit abschmelzen lassen, dass die Unternehmen ins Schlingern kommen.
Die Thematik beschäftigt nun auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF), wie aus dem Regierungsentwurf für ein "Risikobegrenzungsgesetz" hervorgeht. Der Entwurf liegt FONDS professionell ONLINE vor und wird am heutigen Donnerstag (3. September) im Fachausschuss des Bunderats beraten, kommende Woche im Bundesrat selbst.
Die Sorge ist durchaus berechtigt. Immerhin stehen schon jetzt rund 20 Lebensversicherer unter "intensivierter Aufsicht" der Bafin, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion zeigt. In die intensivierte Aufsicht werden nach Angaben der Regierung Unternehmen einbezogen, bei denen sich aus der jährlichen Prognoserechnung mögliche mittel- und langfristige Schwierigkeiten ergeben.
Flächendeckende Leistungskürzungen
Der Bund der Versicherten (BdV) geht mit dem Vorschlag für ein "Risikobegrenzungsgesetz" allerdings hart ins Gericht. Das BMF habe den Entwurf vorgelegt, ohne zuvor die Verbraucherverbände einzubeziehen, kritisiert BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Das geplante Regelwerk sehe vor, dass den Versicherten die Leistungen flächendeckend gekürzt werden können, falls einzelne Lebensversicherer in eine Schieflage geraten. Besonders heikel ist nach Ansicht Kleinleins die Finanzierung des Sicherungsfonds Protektor, der im Notfall einspringt, um ein angeschlagenes Versicherungsunternehmen vor der Insolvenz zu bewahren.
Das Vermögen von Protektor wird durch jährliche Beiträge der gut 100 Mitgliedsunternehmen aufgebaut und beläuft sich nach Angaben der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der AfD aktuell auf rund eine Milliarde Euro. Zudem habe die Lebensversicherungsbranche per Selbstverpflichtung erklärt, dass sie weitere Finanzmittel bereitstellt, sollte das Geld von Protektor nicht ausreicht. Diese Selbstverpflichtung ist auch im Entwurf für ein "Risikobegrenzungsgesetz" vorgesehen.
"Versicherte werden bluten"
Kleinlein befürchtet für den Ernstfall jedoch, dass sich die Versicherungsunternehmen zügig aus ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung verabschieden und die Steuerzahler dann "die Milliardenlücke schließen müssen". "Versicherte werden bluten, die Unternehmen sollen aber nur nach Gutdünken freiwillig zahlen oder nicht", lässt er sich in einer Pressemitteilung zitieren.
Vollkommen auszuschließen ist das nicht, insgesamt birgt der Gesetzentwurf aber deutlich weniger Sprengstoff, als die harte Kritik des BdV vermuten lässt. Der Vorschlag ist alles andere als ein großer Wurf aus dem BMF. Vielmehr handelt es sich dabei um ein sogenanntes Artikelgesetz, das verschiedene Paragrafen aus neun Gesetzen ändert, die hauptsächlich Banken betreffen. Vor dem Hintergrund der heiklen Situation der Versicherer sollen aber auch einige Paragrafen präzisiert werden, die bereits seit vielen Jahren im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) schlummern und regeln, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, falls ein Unternehmen auf eine Pleite zusteuert.
Was bereits gilt
So sieht etwa Paragraf 222 Satz 5 VAG für diesen Fall vor, dass die Finanzaufsicht den Übergang sämtlicher Verträge auf Protektor anordnen kann, um eine Insolvenz eines Versicherers zu verhindern (siehe Artikel "Einstürzende Altbauten" in FONDS professionell 3/2016). Die Sicherungseinrichtung führt sie fort und saniert den Bestand. Reichen die vorhandenen Mittel dafür nicht aus, können bereits garantierte Versicherungsleistungen um bis zu fünf Prozent gekappt werden (§ 222 Satz 5 VAG). Auch ein vorübergehendes Zahlungsverbot kann die Bafin verhängen (§ 314 Satz 1 VAG). In diesem Fall hat die Aufsicht freie Hand, bereits garantierte Leistungen, selbst laufende Renten, entsprechend der verschlechterten Kapitalausstattung zu senken. Und zwar nicht nur um bis zu fünf Prozent.
Für den Fall, dass ein Versicherer ins Schlingern gerät, wären Leistungskürzungen also keineswegs neu. Der BMF-Entwurf sieht Experten zufolge lediglich präzisere Verfahrensregelungen vor. Ob Versicherer ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung im Ernstfall nachkommen können oder nicht, ist in der Tat eine gute Frage. Nicht weil zu befürchten steht, die Unternehmen würden sich drücken. Aber: Die meisten Lebensversicherer sind Vereine auf Gegenseitigkeit. Als solche können sie über das Geld ihrer Versicherten nicht ohne weiteres verfügen, um Mittel bereitzustellen, falls das Vermögen von Protektor zur Rettung von Unternehmen nicht ausreicht. (am)