Karl-Theodor zu Guttenberg: "Wir stehen vor einer Zeitenwende"
Der ehemalige Finanz- und spätere Verteidigungsminister ist überzeugt, dass Deutschland in Sachen Freihandel und bei der Reform der Nato eine Führungsrolle einnehmen sollte. Für Investoren werde 2017 kein einfaches Jahr. Das sagte zu Guttenberg auf dem diesjährigen FONDS professionell KONGRESS.
Das Jahr 2017 markiert eine Zeitenwende, die auch auf die Finanzbranche massive Auswirkungen haben wird. Diese Ansicht äußerte Karl-Theodor zu Guttenberg am Mittwoch bei seiner Eröffnungsrede auf dem FONDS professionell KONGRESS 2017 im Mannheimer Rosengarten. Zu Guttenberg war in den Jahren 2009 bis 2011 zunächst Wirtschafts-, später Verteidigungsminister der Bundesrepublik. Heute arbeitet er als Berater für Jungunternehmer und Investor in New York.
"Dass derzeit am Horizont viele Unklarheiten dräuen, zeigen allein drei Reden, die alle in der vergangenen Woche gehalten worden sind", sagte zu Guttenberg. Er nannte an erster Stelle die Rede der britischen Premierministerin Theresa May. Sie habe in einer Art "Quadratur des Kreises" versucht, glaubhaft zu machen, dass nach einem "Hard Brexit" durchaus noch ein "Soft Landing" möglich sei.
China hält "Flagge des Freihandels" hoch
"Die zweite Rede, auf die ich anspiele, hat Chinas Staatschef Xi Jinping in Davos gehalten", erläuterte zu Guttenberg. Es sei schon beachtlich, wenn das Regierungsoberhaupt eines offiziell kommunistischen Staates erkläre, sein Land halte allen voran nun "die Flagge des Freihandels hoch". Zuletzt nannte zu Guttenberg die Inaugurationsrede des neuen US-Präsidenten Donald Trump – die in die genau entgegengesetzte Richtung deutete.
Wenn in Davos ein chinesischer Politiker über Freihandel spreche, während ein US-Präsident protektionistische Bestrebungen verfolge, zeichneten sich drastische Veränderungen ab. "Man könnte nun sagen: 'Na ja, solche Täler haben wir schon öfter durchschritten‘", sagte zu Guttenberg. "Ich sehe darin jedoch eine Zeitenwende."
Hohes Interesse an Uneinigkeit
Das Dramatische sei in dieser Situation, dass in Moskau und Ankara ein hohes Interesse an einer Uneinigkeit des Westens bestehe. "Es ist gefährlich, wenn dann ein Land wie die USA ein protektionistische Bollwerk errichtet und sich hinsichtlich der Außen- und Sicherheitspolitik unberechenbar verhält", erklärte zu Guttenberg.
Wann immer in der Vergangenheit das "Berechenbare unberechenbar" geworden sei, habe man sich in Deutschland stets vertrauensvoll an die bekannten Institutionen gewandt. "Aber was ist aus diesen Institutionen geworden?", fragte der Key-Note-Speaker in die aufmerksame Zuhörerrunde. Die Nato sei zwar nicht, wie von Trump kürzlich behauptet, obsolet. Das Bündnis sei jedoch dringend reformbedürftig. "Hier sollte Deutschland eine Führungsrolle übernehmen", forderte zu Guttenberg. Denn: Angesichts der geopolitischen Bedrohung werde es "um uns herum nicht gerade sicherer".
EU im Krisenmodus
Die Europäische Union (EU) befinde sich seit Jahren im permanenten Krisenmodus. Der Brexit sei nur ein Symptom für die Krankheit. "Wenn man in andere Mitgliedsstaaten schaut, sieht man, dass vielfach die Nationalisten am Werk sind", sagte zu Guttenberg. Mit einer Politik der Abkehr von der EU ließen sich derzeit durchaus Wahlen gewinnen. "Die Gemeinschaft ist keineswegs von Stabilität getragen", konstatierte er.
Als dritte Institution führte zu Guttenberg die Welthandelsorganisation WTO an. Wenn die USA sich auch dem transpazifischen Handelsabkommen TPP zurückziehen und Trump von Zollschranken spricht, sei das natürlich positiv für China. "Wir sollten die führende Rolle in Sachen Freihandel aber nicht den Chinesen überlassen", mahnte zu Guttenberg.
Deutschland sollte auch hier Verantwortung und Führung übernehmen. Immerhin sei Donald Trump ein Mann, der durchaus zuhören könne, wenn sein Gegenüber klare Worte finde. Dies könne Bundeskanzlerin Angela Merkel gelingen. "Wenn sie eine Fähigkeit bewiesen hat, dann ist es die, mit sehr selbstbewussten Männern fertigzuwerden", erklärte der Ex-Politiker.
2017 wird kein leichtes Jahr für Investoren
Aufgrund der sich abzeichnenden Zeitenwende werde 2017 für Investoren kein leichtes Jahr. Im Blick sollten sie auf jeden Fall China haben. Chancen sieht zu Guttenberg unter anderem bei Unternehmen, die im Bereich der "Industrie 4.0" gut aufgestellt sind. Insgesamt erwartet er in den kommenden Monaten eine hohe Volatilität an den Kapitalmärkten. (am)