Top-Ökonom Roubini: "Wohlstand durch System von Mega-Risiken bedroht"
Die Welt steuert auf eine Ära großer Unsicherheit zu, warnt Nouriel Roubini bei der Eröffnung des FONDS professionell KONGRESSES in Mannheim. Der Starökonom sieht zahlreiche Gefahrenherde. Die Reaktionsfähigkeit von Politik und Notenbanken sei auch aufgrund einer Schuldenfalle eingeschränkt.
Wirtschaft und Gesellschaft betreten eine Phase mit bislang nicht dagewesenen und ungewöhnlichen Risiken. Dies sagte der Starökonom Nouriel Roubini bei seinem Eröffnungsvortrag auf dem 21. FONDS professionell KONGRESS in Mannheim. "Die Zeit der Mäßigung ist vorbei", so der Professor der zur New York University gehörenden Stern School of Business. "Wir steuern auf eine Ära großer Unsicherheit zu, in der zahlreiche Risiken unseren Wohlstand bedrohen."
Die vergangenen Jahrzehnte seien von einer gewissen Sorglosigkeit geprägt worden. "Doch die Zeiten haben sich geändert", warnte Roubini, der die Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 vorhergesagt und sich damit den Spitznamen "Dr. Doom" erworben hatte. Die Welt stehe vor wirtschaftlichen, finanziellen und monetären Gefahren. Hinzu kämen Risiken aus anderen Bereichen, welche die Gemengelage weiter verschärften.
Gefahr hartnäckiger Stagflation
"Die Art der Risiken hat sich gewandelt", erläuterte der Gründer und Vorsitzende von Roubini Global Economics, einem Anbieter für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsinformationen. "Diese Gefahren wirken sich auf die jeweils anderen aus und verknüpfen sich zu einem ganzen System aus Mega-Risiken, die unseren Wohlstand bedrohen." Konkret benannte der Starökonom eine Mischung verschiedener Gefahrenherde.
So sei noch vor wenigen Jahren eine Wirtschaftsflaute befürchtet worden. Nunmehr drohe eine hartnäckige Stagflation, also eine schwache Konjunkturentwicklung bei hohen Teuerungsraten. Sei vor wenigen Jahren noch das zu niedrige Zinsniveau bedauert worden, grassiere nun die Furcht vor zu hohen Zinsen, meinte Roubini in Mannheim.
Furcht vor allumfassender Blase
Auf die Furcht vor einer Hyper-Globalisierung folgte die Angst vor einer De-Globalisierung und einem um sich greifenden Protektionismus. "Bis 2020 ging in der Finanzwelt die Furcht vor einer alles umfassenden Blase um", führte Roubini weiter aus. Nun würde jedoch die Inflation der Preise von Vermögenswerten von einer Deflation derselben abgelöst.
Daneben bestünden auch geopolitische Risiken, etwa das Aufkommen neuer Kalter Kriege, wie zwischen den USA und China – etwa um die Unabhängigkeit Taiwans. Zudem verwies Roubini darauf, dass der Iran bald Atomwaffen besitzen könne, was für Israel aber auch die ganze Nahost-Region sowie Europa Gefahren berge. Auch eine Ausweitung des russischen Kriegs gegen die Ukraine stelle eine Bedrohung dar.
Automatisierung von Jobs
Die Ausbreitung des Corona-Virus habe zudem die Brisanz von Pandemien vor Auge geführt, so der Ökonom. Nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels sei mit einer weiteren, globalen Ausbreitung von Krankheiten zu rechnen. Zudem werde Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt schrittweise, aber fundamental verändern. "Dies führt zur Automatisierung vieler Jobs", erläuterte Roubini.
"Diejenigen, die die Maschinen besitzen und die sie finanzieren, werden zu den Gewinnern zählen", meinte der Wirtschaftswissenschaftler. Doch die Arbeiter, seien es die im Blaumann oder in weißem Hemd und Anzug, stünden vor umfassenden Veränderungen. Darauf müssten die Gesellschaften Antworten finden.
Welt in der Schuldenfalle
Die Notenbanken könnten die sich anbahnenden Umbrüche jedoch nicht mehr alleine stemmen. "Denn sie stehen nicht mehr nur vor einem Dilemma, sondern einem Trilemma", erläuterte Roubini. Denn einerseits müssten die Notenbanken die Zinsen anheben, um die Konjunktur zu dämpfen und die Inflation einzuhegen. Auf der anderen Seite steckten Regierungen, Unternehmen und Privathaushalte weltweit in einer "Schuldenfalle". Eine Anhebung der Zinsen könnte einen Wirtschaftseinbruch und einen Crash des Finanzsystems auslösen.
Der Politik wiederum falle es schwer, langfristig für das Gemeinwohl nötige Schritte einzuleiten, da dies den Wählern missfalle, wie sich in Frankreich bei den Protesten gegen die Rentenreform zeige. In dieser Gemengelage empfahl Roubini Investoren, auf Sicherheit zu gehen. Er nannte als Beispiele kurzlaufende Staatsanleihen, inflationsindexierte Bonds sowie Gold und Metalle, die im Zuge der Umstellung auf Öko-Energie gebraucht würden. Daneben verwies er auf Investments in Sachwerte, insbesondere in Immobilien, die nachhaltigen Standards entsprechen würden. (ert)