Wissenschaftler Rieck: "Die Schonfrist für Berater ist vorbei"
Soziale Medien und künstliche Intelligenz verändern das Berufsbild des traditionellen Anlageberaters, so die These des Finanzprofessors Christian Rieck aus Frankfurt.
Fintechs sind in aller Munde. Immer öfter konkurrieren die jungen Unternehmen aus dem Bereich der Informationstechnologie mit den etablierten Banken in deren Kerngeschäftsfeldern. Besonders beliebt sind die Bereiche Zahlungsverkehr und Kleinkredite. Aber auch Finanz- und Anlageberater sind betroffen: Unternehmen wie Vaamo, Easyfolio oder Ginmon bieten mittlerweile einfache Lösungen für die Geldanlage an. Nach Meinung von Christian Rieck, Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences, wirkt sich der digitale Fortschritt auch auf die Arbeitsweise und die Anzahl der angestellten und freien Berater aus.
"Zwei Entwicklungen werden die Finanzbranche und die Wertpapierberatung komplett auf den Kopf stellen: Soziale Medien und künstliche Intelligenz", so Rieck auf der 1. Konferenz für Finanztechnologie an der Goethe Universität zu Frankfurt. Die sozialen Medien ermöglichen eine neuartige Form der Informationsbeschaffung: Finanzrelevante Daten werden öffentlich zugänglich gemacht und können somit auch von branchenfremden Unternehmen genutzt werden. Dann kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel. Sie wertet die Fülle an Informationen zielgerichtet aus und kreiert das optimale Portfolio für den Kunden. "Wenn einmal die wissenschaftlichen Annahmen programmiert sind, kann ein Rechner ein Depot zweifelsfrei genauer strukturieren als ein Mensch", so Rieck.
Der Berater muss fragen, Google weiß schon Bescheid
Mittelfristig sieht der Wissenschaftler die technologiebetriebenen Unternehmen auch beim Thema ganzheitliche Beratung vorne: "Der Berater muss den Kunden noch nach seinen Zielen und Bedürfnissen befragen, Google weiß es schon." Rieck befürchtet, dass die Zunahme der Roboterberatung zu einem Beratersterben auf hohem Niveau führen wird. Für die übriggebliebenen Vermittler verändern sich die Aufgaben: "Die Schonfrist ist vorbei. Für den traditionellen Berater bleibt nur noch die Rolle des Übersetzers und des Spaßvogels", so Rieck. Seiner Meinung nach ist die Bankenwelt auf diese Entwicklung nur unzureichend vorbereitet. (mh)
Mehr zum Thema Fintechs und Roboterberatung lesen Sie in der nächsten Printausgabe von FONDS professionell, die Ende September erscheint.
Kommentare
Finanzberatung per Fintechs
AntwortenProduktbezogen werden sicherlich immer mehr Menschen googlen. Diese Suchmaschinen erhalten somit automatisch das Potenzial für Angebots-Offerten.
Frank L. Braun am 11.09.15 um 19:26Wird jedoch die Strategieberatung von 300.000 €, 500.000 €, 1 Mio. € oder Mehr-Vermögen nach dem Regelkreis der DIN ISO 22222 aufgezeigt, verstehen alle Menschen auf Anhieb den Nutzen einer persönlichen Beratung im Vorfeld irgendwelcher Einkaufsentscheidungen.
Bitte mal auf den Boden der Tatsachen bleiben
AntwortenSehr geehrter Herr Rieck,
claudia.michelfelder@yahoo.com am 11.09.15 um 13:43für Fintechs kommen in erster Linie technik- und finanzafine Kunden infrage. Wenn ich mich so umschaue, kümmern sich die wenigsten Deutschen ums Geld. Technikafin sind die Jüngeren. Die haben aber wenig Geld. Und ob das gelingt, dass der Vater Geld anlegt was der Sohn sagt und der Opa dann auch, das bezweifle ich. Denn auch heute ist es so, dass die meisten älteren Leute das Geld auf dem Tagesgeld- oder Festgeldkonto bunkern. Aber auch hier gilt: Je höher der Bildungsgrad desto aufgeschlossener sind die Leute. Ich werde mein Depot sicher nicht von einem Roboter betreuen lassen. Die persönliche Beratung und Ansprache kann von einem Roboter oder Call Center Mitarbeitern nicht ersetzt werden.
Allerdings darf man das Thema nicht aus den Augen verlieren.
Claudia Michelfelder