Analyse: Kostenexplosion bei Finanzmarktdaten belastet Fondsbranche
Die Einnahmen der Börsenbetreiber aus dem Aktienhandel erlahmen, dafür steigen die Preise für den Bezug von Finanzmarkt- und Indexdaten. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Auswertung, die mehrere Branchenverbände beauftragt haben. Die Fondslobby wittert ein Oligopol.
Die großen Börsenbetreiber Europas gleichen geringere Einnahmen im Aktienhandel zunehmend durch Umsatzsteigerungen im Geschäft mit Handelsdaten aus. In diesem Feld seien zudem die Preise deutlich gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des britischen Analysehauses Market Structure Partners (MSP) im Auftrag mehrerer Branchenverbände wie der europäischen Asset-Management-Lobby EFAMA oder der deutschen Fondsvereinigung BVI. Für die Auswertung analysierte MSP das Geschäft mehrerer großer europäischer Handelsplätze.
Demnach sank etwa bei der Euronext im Zeitraum von 2020 bis 2023 das Aktienhandelsvolumen um 17 Prozent. Die Gesamteinnahmen gingen dagegen nur um 0,5 Prozent zurück, so die Analyse. Dies sei einer Steigerung der Einnahmen durch den Verkauf von Handelsdaten geschuldet. Bei der Deutschen Börse habe sich das Transaktionsvolumen bei Aktien in demselben Zeitrahmen um 29 Prozent reduziert, die Einnahmen dagegen nur um zwölf Prozent. Auch hier habe das Datengeschäft geholfen. Ähnlich sehe es bei der London Stock Exchange Group (LSEG) oder Nasdaq Nordics aus.
Enorme Preissteigerungen
Demgegenüber seien die Preise für den Bezug von Handels- oder Indexdaten deutlich gestiegen, behaupten die Studienautoren. Im selben Zuge seien die Verträge zum Bezug und zur Lizensierung von Börsendaten deutlich komplexer geworden. Zudem werde häufiger danach differenziert, wer die Daten bezieht und wie sie genutzt werden. So werde etwa danach unterschieden, ob die Daten maschinell ausgelesen werden oder ob Menschen sie verwenden.
Zudem würden insbesondere kleinere, alternative Indexentwickler und Handelsplatzbetreiber einen erheblichen Anstieg der Preise für Bereitstellung der Basisdaten durch die großen Konkurrenten beklagen. So seien für die Betreiber alternativer Börsenplätze die Preise von 2017 bis 2024 um bis zu 480 Prozent gestiegen. Wenn kleine Indexanbieter Handelsdaten beziehen, würden die Preissteigerungen zwischen 100 und 170 Prozent rangieren. Mehrere große Börsen unterhalten auch ein Indexgeschäft.
"Oligopole von Börsen und Ratingagenturen"
"Die Preissteigerungen sind massiv", meint Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI. "Die Gründe sind die Oligopole von Börsen und Ratingagenturen sowie die Marktbeherrschung der großen Index- und Datenanbieter." Gleichzeitig seien Fondsgesellschaften gesetzlich verpflichtet, Börsenkurse, Benchmarks, Ratings und andere Daten von Drittanbietern zu verwenden. "Die Oligopole und das Verhalten der Datenanbieter sind ein Fall für die Wettbewerbsbehörden", plädiert Richter.
"Die Beseitigung der schädlichen Auswirkungen des Oligopols im Bereich des Marktdatenzugangs würde die Handelskosten senken, neue Marktteilnehmer ermutigen und Innovationen fördern", ergänzt Tanguy van de Werve, Generaldirektor der EFAMA. "Die Bekämpfung der hohen Marktdatenkosten sollte für die politischen Entscheidungsträger, die die europäischen Kapitalmärkte beleben wollen, eine naheliegende Entscheidung sein." (ert)